Hamburg/Berlin. Deutschland wird voraussichtlich doch Häftlinge aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo aufnehmen. Ein Ministeriumssprecher in Berlin bestätigte, das Innenministerium habe in Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt und dem Auswärtigen Amt "erneut Gespräche mit den Vereinigten Staaten zu dieser Frage aufgenommen". Dabei gehe es um "einzelfallbezogene Prüfungen".

Eine deutsche Delegation hat nach einem Bericht des "Spiegels" in der vergangenen Woche im US-Militärgefängnis Guantánamo auf Kuba Gespräche mit Insassen geführt, die für eine Aufnahme infrage kommen. Die Delegation - der Beamte des Innenministeriums, des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für Migration angehörten - sollte sich ein Bild der Persönlichkeiten machen und eine Risikoprognose vornehmen.

Der Ministeriumssprecher betonte, die Bundesregierung bleibe "in Kontinuität mit der Vorgängerregierung bei ihrer Haltung, die Vereinigten Staaten bei ihren Bemühungen zur Auflösung des Gefangenenlagers Guantánamo zu unterstützen".

Laut "Spiegel" hatte der US-Sondergesandte Daniel Fried Ende vergangenen Jahres eine Liste von Guantánamo-Häftlingen übergeben. Von ursprünglich neun Namen, die die US-Regierung angeboten habe, seien mehrere Gefangene inzwischen in anderen Ländern untergekommen.

Zu den Kandidaten, die jetzt in Deutschland Aufnahme finden könnten, gehört dem Bericht zufolge ein Palästinenser aus dem Westjordanland, der einer konservativen Predigervereinigung angehört habe und in Pakistan festgenommen worden sei. Außerdem sei ein Jordanier darunter, der im Sommer 2001 nach Afghanistan gereist war, sowie ein Syrer, der Ende 2001 in einem Krankenhaus in Kabul behandelt und kurz danach festgenommen worden sei. Alle drei Gefangenen seien von der US-Regierung zur Freilassung vorgesehen.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte, in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass die entlassenen Häftlinge immer noch im Terrornetzwerk al-Qaida aktiv seien. "Von diesen Leuten gehen hohe Gefahren aus." Bayern lehne die Aufnahme von Häftlingen aus Guantánamo daher weiterhin strikt ab. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der "Bild am Sonntag": "Ich habe grundsätzliche Sicherheitsbedenken bei der Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen. Sollten wir trotzdem aus humanitären Gründen ehemalige Häftlinge aufnehmen, müssen alle Sicherheitsbedenken bei jedem einzelnen Ex-Häftling geprüft und ausgeräumt werden."