Berlin. Das Sparpaket für die Pharmabranche von 500 Millionen Euro soll vorgezogen werden. Bereits zum 1. August will die Regierungskoalition die Zwangsrabatte, die Pharmafirmen den Krankenkassen für neue innovative Medikamente einräumen müssen, von sechs auf 16 Prozent erhöhen. Zudem würden die Preise bis Ende 2013 auf dem Stand vom 1. August 2009 eingefroren. Damit hätten sich Union und FDP der Linie von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) angeschlossen, die kurzfristigen Maßnahmen vorzuziehen und schon 2010 wirken zu lassen, sagte ein Ministeriumssprecher.

Rösler (FDP) sagte dem Deutschlandfunk, durch das Vorziehen einiger Elemente ließen sich bereits ab August monatlich Kosten von 120 Millionen Euro sparen: "Wir werden die sehr wirksamen Instrumente Herstellerrabatt und Preismoratorium vorziehen", so Rösler. Dass nicht auch Preisbeschränkungen bei Medikamenten kurzfristig eingeführt werden, begründete Rösler damit, dass der Zugang der Patienten zu überlebenswichtigen Medikamenten gesichert sein müsse. Die Kosten-Nutzenanalyse zur Festlegung eines gerechtfertigten Medikamenten-Preises könne zwischen drei und vier Jahren dauern.

Der Opposition gehen die Vorschläge nicht weit genug: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf Rösler "verkappten Pharmalobbyismus" vor. "Die Pharmaunternehmen dürfen weiterhin ihre Medikamente zu astronomischen Preisen in den Markt bringen", erklärte Nahles. Die "bürokratischen Preissenkungsmaßnahmen" könnten die Unternehmen schon einpreisen, weil Rösler Preissenkungen erst ansetzen wolle, wenn die Medikamente bereits im Markt seien.

Unterdessen wurde bekannt, dass mehr als eine Viertelmillion Krankenversicherte wegen der Zusatzbeiträge einen Kassenwechsel vollzogen oder beantragt haben. Spitzenreiter in der Gunst der Wechselwilligen sei die zweitgrößte deutsche Krankenkasse, die Techniker (TK) mit 130 000 neuen Mitgliedsanträgen, schreibt der "Tagesspiegel". Branchenführer Barmer GEK habe seit Jahresanfang ohne Fusionsgewinne rund 100 000 neue Mitglieder gewonnen.

Die IKK Brandenburg und Berlin zähle 4500 neue Kunden und damit rund 74 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die AOK Berlin-Brandenburg sei auf Wachstumskurs: Seit Anfang 2010 habe die Kasse 16 000 neue Mitglieder gewonnen. Sowohl die IKK als auch die AOK garantierten ihren Mitgliedern, dass sie auch im Jahresverlauf keine Zusatzbeiträge erheben würden.