Hamburg. Die Frühjahrsvollversammlung der bayerischen katholischen Bischöfe hat eine einstimmige Empfehlung zum Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen verabschiedet. In dem von Erzbischof Reinhard Marx verlesenen Beschlusstext hieß es: "Die Bischöfe wollen jedem Verdacht nachgehen und jede Verfehlung aufklären."

Deshalb solle bei der Überarbeitung der Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz "die Meldepflicht bei Verdacht von sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen an die Staatsanwaltschaft" festgeschrieben werden. Die Meldepflicht sei aber unabhängig davon sofort zu praktizieren. Die Staatsanwaltschaft könne solche Fälle besser aufklären, sagte Bischof Marx.

Nach den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz kann die Kirche in einem Missbrauchsfall auf eine Anzeige verzichten, wenn die Opfer das nicht wollen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte bereits eine Zusammenarbeit der Verantwortlichen der katholischen Kirche mit der Staatsanwaltschaft gefordert. Deshalb begrüßte die Ministerin den Vorstoß der bayerischen Bischöfe zur Meldepflicht bei Verdachtsfällen. Es sei ganz wichtig, dass "bei Anhaltspunkten, die sich etwas verdichten, dann auch die Informationen an die Staatsanwaltschaft gehen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger im Bundestag.

Mit Blick auf die Kritik am Schweigen von Papst Benedikt XVI. sagte Erzbischof Marx: Der Papst habe sich zu den Fällen bereits ausführlich am Beispiel Irlands geäußert. Seine Position der Nulltoleranz gegenüber sexuellem Missbrauch sei also klar. Am Sonnabend soll der vom Papst bereits angekündigte und mit Spannung erwartete Hirtenbrief an die irischen Bischöfe veröffentlicht werden.

Derweil ermutigte auch die Leitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Missbrauchsopfer, sich der Polizei oder einem Ansprechpartner in der Kirche anzuvertrauen. Anlass für den Aufruf ist der Fall eines Pfarrers in Friedrichsdorf nördlich von Frankfurt, der in den Achtzigerjahren Missbrauch beging. Nach der Odenwaldschule in Heppenheim gerät die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden in den Blick, die für ihre besonders guten Ergebnisse in der PISA-Studie bekannt wurde. Die hessische Kultusministerin Dorothea Henzler erhob schwere Vorwürfe gegen die Leitung der Schule, an der ein Lehrer 1989 vier Schüler missbraucht haben soll.

Die Angaben der ehemaligen Schulleiterin Enja Riegel zur Aufarbeitung dieses Falls seien nicht nachvollziehbar, sagte Henzler. Die mittlerweile pensionierte Direktorin hatte erklärt, die Schule habe "vorbildlich auf den Missbrauch reagiert". Hessen will laut Henzler alle Internatsschulen einer Sonderprüfung unterziehen.