Das zähe Ringen der Bundesanwaltschaft um die Geheimakten zum Mordfall Siegfried Buback hat sich gelohnt – sie kann nun doch die Geheimunterlagen vor Gericht verwenden.

Karlsruhe. Das zähe Ringen der Bundesanwaltschaft um die Geheimakten zum Mordfall Siegfried Buback hat sich gelohnt – sie kann nun doch die Geheimunterlagen vor Gericht verwenden. Der Behörde liegen fast alle Akten des Bundesverfassungsschutzes vor, die für das Ermittlungsverfahren gegen die frühere RAF-Terroristin Verena Becker relevant sind. Wie ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse- Agentur dpa am Montag mitteilte, hat das Bundesinnenministerium die mehr als 300 Seiten in der vergangenen Woche übermittelt. Sie lägen „in gerichtsverwertbarer“ Form vor. Die Quellen seien aber weiterhin nicht offengelegt und die Akten als geheim eingestuft.

Anders als der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble stimmte dessen Amtsnachfolger Thomas de Maizière (beide CDU) einem Kompromiss zu: Die Quelle bleibt wie zugesichert geheim, der Akteninhalt kann jedoch vor Gericht genutzt werden. Wäre es bei der Gangart Schäubles geblieben, hätte die Bundesanwaltschaft die Akten zwar studieren – aber nicht damit vor Gericht ziehen können. Michael Buback, der Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, sprach von einem „richtigen Schritt“.

Die Karlsruher Anklagebehörde hat lange um die Akten gekämpft. Bundesanwalt Rainer Griesbaum will damit die Anklage gegen die frühere RAF-Terroristin Becker untermauern. Die Behörde ermittelt seit April 2008 erneut gegen die heute 57-Jährige. Sie soll an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seinen beiden Begleitern im April 1977 beteiligt gewesen sein. Becker war einen Monat nach dem Attentat festgenommen worden – verurteilt wurde sie aber wegen einer Schießerei bei der Festnahme. Wegen des Attentats auf Buback wurde sie bisher nicht angeklagt.

Im Gefängnis kooperierte sie mit dem Verfassungsschutz. Das Bundesinnenministerium begründete seine Entscheidung, die Geheimdienst-Akten weiter gesperrt zu lassen, mit der zugesicherten Vertraulichkeit. Der Schutz von Quellen sei für den Verfassungsschutz ein hohes Gut. Michael Buback will nun vor allem wissen, wann Verena Becker welchen Kontakt mit Geheimdiensten hatte. „Ich erwarte, dass diese Frage beantwortet wird“, sagte er dem „Kölner Stadtanzeiger“ (Dienstag).

Becker wurde 1989 begnadigt und kam nach neun Jahren und zwei Monaten Haft auf Bewährung frei. 1995 wurde ihr auch die Reststrafe erlassen. Vor zwei Jahren geriet sie jedoch erneut ins Visier der Ermittler – vor allem als 2009 bei neuen Ermittlungen an den damaligen RAF-Bekennerschreiben DNA-Spuren von ihr entdeckt wurden.

Im August 2009 wurde Becker in Berlin verhaftet und kam in Untersuchungshaft. Unmittelbar vor Weihnachten kam sie jedoch wieder auf freien Fuß: Der Bundesgerichtshof (BGH) hob den Haftbefehl auf. Anders als die Bundesanwaltschaft sahen die Richter die 57-Jährige nicht als Mittäterin. Die BGH-Richter bewerten Beckers Tatbeteiligung eher als Beihilfe. Die Folge: Becker würde bei einer Verurteilung eine deutlich geringere Strafe erwarten. Die 57-Jährige lebt in Berlin. Aus Sicht des BGH besteht keine Fluchtgefahr.

Die Bundesanwaltschaft ließ sich von der BGH-Entscheidung nicht beirren. Bundesanwalt Griesbaum glaubt, genug Beweise zu haben, um Becker wegen einer Mittäterschaft anklagen zu können. Helfen sollen dabei besonders die Verfassungsschutz-Akten. Darum drang er weiter beim Bundesinnenminister auf die Freigabe des Materials.

Nun liegt der Bundesanwaltschaft ein 227-seitiger Operativvermerk vom 15. Dezember 1981 und ein 82-seitiger Auswertevermerk vom 4. März 1982 vor. Die Unterlagen würden ausgewertet und mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen zusammengeführt, so der Behördensprecher. Unklar ist, ob sich die Erhebung der Anklage dadurch verzögert. Griesbaum hatte dies für das Frühjahr angekündigt.