Bildungsministerin Schavan will Schulen in sozialen Brennpunkten mehr fördern. Verschiedene Firmen und Vereine sollen Schülern helfen.

Hamburg/Köln. Vor allem mit einem Begriff will Ministerin Annette Schavan den Kampf für mehr Chancengleichheit an Grundschulen bestreiten: Bildungsbündnisse. So nennt die CDU-Politikerin die enge Zusammenarbeit von Lehrern und Eltern. Lokale Netzwerke sollen entstehen - als Patenschaften für benachteiligte Kinder, direkt vor Ort an den Schulen. Auch Vereine, Bücherhallen, Musikschulen, Firmen und Privatpersonen seien Motor dieser Bündnisse. Wenn Schavan heute in Köln die Bildungsmesse didacta eröffnet, wird sie solche Bündnisse fordern. Und die Ministerin zeigt sich entschlossen, die gemeinsame Arbeit der verschiedenen Gruppen finanziell zu fördern. "Wir werden in dieser Legislaturperiode insgesamt eine Milliarde Euro einsetzen, um Bildungsbündnisse zu stärken, die sich an Grundschulen um benachteiligte Kinder kümmern", heißt es in dem Redemanuskript der Ministerin, das dem Abendblatt vorliegt. "Auf diese Weise wollen wir allen Kindern reale Bildungschancen eröffnen", steht dort weiter. Jede der 16.400 Grundschulen in Deutschland brauche ein solches Bildungsbündnis.

Einen Schwerpunkt legt Schavan dabei auf Schulen in sozial schwachen Stadtteilen. "Jede Brennpunktschule muss über ein Bildungsbudget verfügen können, mit dem mehr Bildungsgerechtigkeit tatsächlich hergestellt wird", heißt es in der Rede. Zwischen 20.000 und 40.000 Euro soll jede dieser Schulen erhalten. Mit diesem Geld könnten Bündnisse, die sich um Fördervereine herum bildeten, "gezielt Bildungsarmut bekämpfen, zum Beispiel durch schulergänzenden Förderunterricht oder Ferienkurse zur individuellen Förderung", so Schavan. "Kulturelle Projekte wie Theater-, Musical- oder Choraufführungen schaffen neue bedeutsame Lernräume."

Sie will mit ihrem Konzept "neue Wege zu mehr Bildungsgerechtigkeit" einschlagen. Und dafür strebt sie sogar eine Änderung des Grundgesetzes an. Dem Bund wolle sie mehr Kompetenzen in der Bildungspolitik einräumen. Bildungsföderalismus habe "dort seine Berechtigung, wo er zum Wettbewerb um neue Ideen und gute Lösungen einlädt", so Schavan. "Aber dort, wo er die gemeinsame Arbeit an guten Lösungen für die Zukunft unserer Kinder behindert, muss er weiterentwickelt werden." Daher müsste die Kooperation von Bund und Ländern im Grundgesetz erweitert werden. Die Verfassung gestatte Bund und Ländern die Zusammenarbeit in der Bildung bisher nur, wenn es um die Feststellung von dessen Leistungsfähigkeit gehe, kritisiert Schavan. "Was spricht dagegen, dass Bund und Länder sich darauf verständigen, dass sie die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems nicht nur gemeinsam feststellen, sondern auch gemeinsam sicherstellen wollen?"

Die Bundesregierung hatte bis 2013 zusätzliche zwölf Milliarden Euro für Bildung und Forschung versprochen. Mit einer dieser Milliarden macht sich Schavan stark für benachteiligte Kinder, die in den Statistiken nüchtern als "PISA-Risikogruppe" auftauchen: "Wir nehmen niemandem etwas weg, wenn wir sagen: Wir wollen gemeinsam gewährleisten, dass alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland die bestmögliche Bildung erhalten", sagt Schavan. "Im Gegenteil, das wäre eine Verpflichtung, auf die alle Akteure stolz sein könnten."