Halle. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Susanne Kastner (SPD), hat die Exzesse bei der Bundeswehr kritisiert und Konsequenzen angemahnt. Als Frau stehe sie "ganz schwer kopfschüttelnd" vor solchen Männlichkeitsritualen, sagte Kastner der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". "Ich kann das nicht verstehen. Wir haben einen Passus im Grundgesetz, der lautet: ,Die Würde des Menschen ist unantastbar.' Das gilt auch für Soldaten." Die Vorgesetzten hätten einschreiten und etwas dagegen unternehmen müssen. "Das muss sich abstellen lassen", sagte Kastner.

Der sicherheitspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, beklagte ebenfalls ein "eklatantes Führungsversagen" in der Bundeswehr und forderte eine Reform der Offiziersausbildung.

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), sagte der Zeitung: "Wir klären auf ... Wir werden das ahnden und alles versuchen, diese Sachen abzustellen." Er fügte allerdings hinzu: "Die Vorgänge sind teilweise 20 Jahre alt. Man sollte sehr vorsichtig sein, das 1:1 auf die Bundeswehr von heute zu übertragen."

Der Ethnologe Guido Sprenger sagte, solche Traditionen könne man nicht verbieten. "Es wird der Bundeswehr nicht gelingen, diese Rituale auszulöschen, indem sie sie etwa kriminalisiert", sagte der Völkerkundler, der an der Universität Münster lehrt. Ratsamer sei es, die Rituale kontrolliert zuzulassen und zu integrieren. "Es gibt auch in anderen Organisationen, zum Beispiel manchen Studentenverbindungen, Aufnahme-Rituale, bei denen mit den Novizen recht ruppig umgegangen wird", berichtete Sprenger. "Das ist aber bekannt. Jeder, der eintritt, weiß, was auf ihn zukommt." Die Bundeswehr sei "ein separater Bereich in unserer Gesellschaft, in der andere Werte wie Hierarchie und Unterordnung zählen".