Hamburg/Berlin. Die Aufregung über ekelhafte "Aufnahmerituale" bei den Gebirgsjägern in Mittenwald ist noch nicht abgeklungen, da legte der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags gestern dem Verteidigungsausschuss Berichte über neue Ekel-Exzesse vor. Reinhold Robbe präsentierte weitere Zuschriften, die nahelegen, dass die "Fuxtests" bei den Gebirgsjägern, bei denen junge Soldaten rohe Leber essen und Alkohol bis zum Erbrechen trinken mussten, keine Einzelfälle waren.

Soldaten des Gebirgsjägerbataillons in Bischofswiesen-Strub, nur wenige Kilometer von Mittenwald entfernt, berichteten jetzt von ganz ähnlichen Ritualen. Auch dort ging es um sehr viel Alkohol und um das Trinken einer widerlichen Suppe, in der offenbar ebenfalls rohe Leber schwamm. In zwei E-Mails dazu heißt es, dass die Vorgesetzten von diesen Ritualen wussten. Einer der Soldaten schrieb: "Bezogen auf die Dienstgrade muss ich sagen, dass ich davon ausgehe, dass so gut wie jeder Unteroffizier und Feldwebel, der eine Weile dabei ist, weiß, was passiert - und auch in welchem Umfang." Robbe sagte, er habe insgesamt 54 Zuschriften zu dem Fall Mittenwald bekommen. Drei Einsender habe er um Details gebeten. Der Verteidigungsausschuss wird sich voraussichtlich heute mit den Vorgängen befassen.

Nach den neuen Enthüllungen hat Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg noch einmal eine zügige Aufklärung zugesagt. "Es ist jedem einzelnen Fall vernünftig nachzugehen und auch mit Nachdruck nachzugehen", sagte der Minister in Berlin. Gegebenenfalls müssten Konsequenzen gezogen werden. Guttenberg schloss Disziplinarverfahren nicht aus, warnte aber, von Einzelfällen auf den Gesamtzustand der Bundeswehr zu schließen: "Ich wehre mich nur dagegen, Pauschalurteile auszusprechen."

Auch der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, warnte vor überzogener Kritik. "Das sind widerliche Auswüchse, die in einer Gesellschaft von 250 000 Frauen und Männern mal vorkommen", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung".

"Dagegen muss man vorgehen. Die Vorgesetzten müssen ordentlich Dienstaufsicht machen. Aber das ist kein Faktum, das die Schlagzeilen der Republik beschäftigen müsste. Man muss nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Ich kann nur sagen: tiefer hängen", sagte Kujat.

Meist seien Alkohol und Gruppenzwang im Spiel, meinte der frühere General. Aber das sei nicht symptomatisch für die Streitkräfte.