Laut dem BA-Vorstand nutzen nur Einzelne das Hartz IV System aus. Die Liberalen fordern neue, härtere Strafen gegen Arbeitsunwillige.

Berlin. Die Bundesagentur für Arbeit ist in der von FDP-Chef Guido Westerwelle ausgelösten Debatte der Auffassung entgegengetreten, Erwerbslose seien nicht arbeitswillig und flexibel genug. "In den letzten Jahren ist die Konzessionsbereitschaft Arbeitsuchender deutlich gestiegen", sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt der "Thüringer Allgemeinen". "Das heißt, man ist heute eher bereit, mit Lohneinbußen zu arbeiten oder einen Wohnortwechsel in Kauf zu nehmen."

Alt berief sich auf BA-interne Analysen, die ergaben, dass mehr als ein Viertel derer, die aus der Grundsicherung wieder in ein Beschäftigungsverhältnis kämen, unterhalb ihres Qualifikationsniveaus arbeiteten. "Menschen lassen sich also nicht nur vom ökonomischen Kalkül leiten. Ihnen geht es um das Gefühl, etwas zu leisten und gebraucht zu werden", sagte Alt. Dass in Regionen mit ausreichend Jobs kaum Grundsicherung in Anspruch genommen werde, zeige, "dass sich die wenigsten in die soziale Hängematte legen möchten". Es seien nur Einzelne, die sich "ein Stück weit einrichten".

Unterdessen verschärfte der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Andreas Pinkwart in der Debatte über Hartz IV den Ton weiter. Er forderte in der "Rheinischen Post" härtere Sanktionen für Langzeitarbeitslose, die "zumutbare" Arbeitsangebote ablehnen. Wer arbeitsfähig sei, "sollte auf staatliche Hilfe grundsätzlich nur Anspruch haben, wenn er auch zur Gegenleistung bereit ist", forderte Pinkwart, der Spitzenkandidat der FDP bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist.

Mit Blick auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts plädiert Pinkwart für mehr Sachleistungen für Kinder und Erwachsene, etwa Bildungsgutscheine und geringere Geldbeträge. In diesem Falle "müsste man auf der anderen Seite direkte Zahlungen geringer ansetzen, zum Beispiel durch Pauschalierungen bei den Wohnzuschüssen".

Der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Olaf Scholz griff Pinkwart in einer ersten Reaktion auf dessen Äußerungen frontal an: "Pinkwart redet dummes Zeug", sagte der frühere Bundesarbeitsminister dem Hamburger Abendblatt. "Offenbar ist er völlig ahnungslos. Er fordert, was im Gesetz steht. Wer zumutbare Arbeit verweigert, muss mit Kürzungen rechnen. Und um eine effiziente Arbeitsvermittlung auf die Beine zu stellen, brauchen wir mehr qualifizierte und motivierte Arbeitsvermittler. Die FDP will aber solche Stellen abbauen. Herr Pinkwart sagt deshalb nicht die Wahrheit über die FDP-Pläne, wenn er ankündigt, die Arbeitsvermittlung zu verbessern."

Derzeit gilt die Regel: Nimmt ein Hartz-IV-Empfänger Arbeit nicht an, so können seine Bezüge für drei Monate um 30, beim zweiten Mal um 60 Prozent gekürzt werden.

Westerwelle, der Pinkwart beisprang, mahnte aber, dass im Falle einer verweigerten Arbeit "nicht nur in der Theorie", sondern "auch praktisch" eine Kürzung der Leistung erfolgen müsse. "Die Interessen der Steuerzahler dürfen nicht zu kurz kommen." Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte unterdessen davor, Arbeitslose gegen Menschen mit Arbeit auszuspielen. Anreize zur Arbeit seien in der Gesellschaft wesentlich, sagte die CDU-Vorsitzende am Freitag in Berlin. Wer ein zumutbares Arbeitsangebot nicht annehme, müsse auch Nachteile spüren. Leider sei aber auch Realität, dass nicht für alle, die arbeiten wollten, Arbeit da sei. Flächendeckende Mindestlöhne lehnte sie ab. Dadurch würden Arbeitschancen verbaut. Sie bekräftigte, die Koalition werde die Zuverdienstmöglichkeiten von Hartz-IV-Empfängern verbessern, da diese "nicht ausreichend" seien. Verbesserungen würden auch gegen Schwarzarbeit helfen.