Die FDP setzt im Dreierbündnis im Saarland keine eigenen Akzente. Das schwarz-grüne Konfliktfeld Bildung wurde bereits entschärft.

Berlin. Der Ministerpräsident ließ es sich nicht nehmen, den Stichtag selbst mit goldenen Worten zu begleiten. Es sei "ein gelungener Start" gewesen, verkündete Peter Müller (CDU) gestern frohgemut in Saarbrücken. In ihren ersten 100 Tagen habe sich die von ihm angeführte Jamaika-Koalition an der Saar "handlungsfähig, geschlossen und stabil" gezeigt. Auch der FDP-Landesvorsitzende Christoph Hartmann und der Grünen-Chef Hubert Ulrich schwärmten vom "zwischenmenschlich vertrauensvollen Klima", das die Atmosphäre zwischen den Regierungspartnern in positivem Sinne präge.

Kein Wunder: Allen voran die Grünen an der Saar haben wahrlich kaum Gründe, sich zu beklagen. Nach den ebenso hart wie erfolgreich geführten Koalitionsverhandlungen kann die Öko-Partei zum 100-Tage-Termin am heutigen Aschermittwoch abermals die Korken knallen lassen. Sie hat, sehr zur Freude der Parteispitze in Berlin, die deutlichsten Akzente gesetzt. Beispiel Nichtraucherschutz: Von den Grünen im Wahlkampf gefordert, wurde das bundesweit strengste Nichtraucherschutzgesetz in der vergangenen Woche im Saarbrücker Landtag verabschiedet. Im Juli tritt es in Kraft.

Beispiel Studiengebühren: Von den Grünen eingefordert - und von Müller als Lockmittel in die Verhandlungsmasse geworfen - wurde vergangene Woche im Landesparlament beschlossen, dass die Gebühren bereits zum neuen Sommersemester komplett entfallen.

Zwar hatte die Öko-Partei bei der Wahl im August 2009 mit 5,9 Prozent der Stimmen gerade so den Wiedereinzug in den Landtag geschafft. Aber sie war das Zünglein an der Waage. Müller, der vor dem politischen Aus zu stehen schien, konnte über den Coup des bundesweit ersten Jamaika-Bündnisses sein politisches Überleben sichern. Welchen Preis das hatte, zeigt die 100-Tage-Bilanz, die auch den politischen Beobachtern vor Ort in erster Linie als Dokument des Durchmarschs der Grünen gilt, während sich die FDP mit einem Platz am Katzentisch zufriedengeben musste. Da tat es auch keinen Abbruch, als sich im Dezember ein grüner Staatssekretär im Umweltministerium dazu verstieg, das Abholzen von Wald mit Massenmorden im Krieg zu vergleichen.

Wie wenig Aussagekraft positive 100-Tage-Bilanzen mittelfristig haben können, zumal wenn das Lob aus dem Munde der Akteure selbst stammt, zeigt das Beispiel der im Mai 2008 begründeten schwarz-grünen Koalition in Hamburg. Zum Stichtag jubelte etwa CDU-Fraktionschef Frank Schira voreilig, das Bündnis sei "eine große Erfolgsstory". Auch sein GAL-Kollege Jens Kerstan prophezeite optimistisch, man habe zwar viele Kompromisse gefunden, aber "wie tragfähig die sind, wird sich zeigen, wenn einige Projekte in die heiße Phase kommen". Bundesweit blickten viele Beobachter sowieso fasziniert auf die erste Regierung eines Bundeslandes, in der sich die über Jahrzehnte so ungleichen Parteien zusammengerauft hatten. Nur Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der zum Stichtag ohnehin im Urlaub weilte, ließ mitteilen, er halte wenig von solchen Bilanzen und werde sich daran nicht beteiligen. Tatsächlich zeichnete sich schon damals ab, dass Schwarz-Grün insbesondere wegen der Bildungspolitik große Probleme ins Haus stehen könnten. Der Unmut und Widerstand an den Schulen gegen die von Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL) im Eiltempo vorangetriebene Verlängerung der Grundschulzeit von vier auf sechs Jahre begann sich zu formieren. Und auch in der CDU - seinerzeit noch hinter vorgehaltener Hand - nahm der Unmut über die im Koalitionsvertrag verabredete Primarschulreform zu. Einige Medien registrierten das, manche prophezeiten deshalb wahlweise: "Jetzt beginnt der Ärger", "Schwarz-Grün in schwerer See" oder: "Die großen Nummern kommen erst".

Die Grünen wiederum konnten nicht auf so klar sichtbare Erfolge verweisen wie die Kollegen an der Saar, was die Nervosität noch erhöhte.

In Saarbrücken hat man aus dem Beispiel Hamburg gelernt. Existenzbedrohende Krisen à la Primarschule sind nicht in Sicht. Zwar wurde auch bei den Jamaikanern ein längeres gemeinsames Lernen verabredet. Aber das Elternwahlrecht, das sollte von Anfang an erhalten bleiben. Und auf diese Feststellung legt der Ministerpräsident wert: "Das Gymnasium bleibt verfassungsgeschützt."