Ob Donald Rumsfeld als großer Verteidigungsminister in die Weltgeschichte eingeht, ist recht ungewiss. Die Lebensweisheiten des Amerikaners indes sind legendär. Eine lautet: Wenn du in der Grube sitzt, höre auf zu graben.

Guido Westerwelle hat die Rumsfeld-Regeln, die gerade Politikern nutzen können, offenkundig nicht gelesen. Er gräbt und gräbt. "Scheinheilig" nennt er seine Kritiker; zurückzunehmen habe er nichts. Die Debatte über die höchstrichterlich angeordnete Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze trägt also "sozialistische Züge". Und in Deutschland ufern staatliche Leistungen derart aus, dass man sich an "spätrömische Dekadenz" erinnert fühlen muss.

Westerwelle scheint den Sinkflug der FDP in den Umfragen auf sein erweitertes Aufgabenspektrum zurückzuführen. Seit er Außenminister und Vizekanzler ist, verbringt er tatsächlich viel Zeit im Ausland. Er folgt allerdings nicht dem Rat seines Stellvertreters Pinkwart, die Verantwortung für die Partei zu teilen. Westerwelle ruft nur lauter, wenn er da ist.

Die Aggressivstrategie, die Westerwelle auf dem jüngsten Krisengipfel der FDP vereinbaren ließ, gefährdet nicht nur den Erfolg der Liberalen bei der Landtagswahl in NRW. Sie schränkt auch die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ein. Westerwelles Verbalradikalismus ist geeignet, der Kampagne der linken Opposition, die Regierung bereite eine Politik der sozialen Kälte vor, zum Durchbruch zu verhelfen: Wenn der Vizekanzler so redet, ist der Eissturm nicht mehr weit.

Union und FDP sind angetreten, nach sieben Jahren Rot-Grün und vier Jahren Schwarz-Rot wieder bürgerliche Politik im eigentlichen Sinne zu betreiben. Eine Politik, die Leistung belohnt. Und die Impulse für ein Bildungssystem setzt, das Leistung ermöglicht. Guido Westerwelle ist dabei, diese Chance zu verspielen.