Frankfurt/Main. Angesichts entwürdigender Aufnahmerituale in Bundeswehr-Einheiten hat der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe auf Alkoholmissbrauch bei den Streitkräften hingewiesen. "Ich habe den Eindruck, dass es bei bestimmten Truppenteilen unserer Bundeswehr nach Dienstschluss ein Alkoholproblem gibt, das wir entschieden bekämpfen müssen", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete dem Onlineportal "Bild.de". Unterdessen meldeten sich bei ihm weitere Soldaten, die sich über die Zustände bei einer Einheit im oberbayerischen Mittenwald beschwerten.

In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass dort Soldaten offenbar als Aufnahmeritual Rollmöpse und Frischhefe essen mussten, bis sie sich erbrachen. "Es zeigt sich bei den Schilderungen, dass offenbar übermäßiger Alkoholkonsum eine große Rolle gespielt hat", sagte Robbe weiter. Komasaufen dürfe es bei der Bundeswehr weder an Standorten im In- noch im Ausland geben.

Robbe zufolge weitet sich die Misshandlungsaffäre aus. Mindestens fünf weitere Soldaten, aktive und ehemalige, hätten sich bei ihm gemeldet, berichtete die "Bild am Sonntag". "Nach der Eingabe eines Soldaten zu den Vorgängen bei den Gebirgsjägern in Mittenwald haben sich jetzt noch weitere Soldaten aus der betroffenen Einheit, aber auch aus anderen Standorten mit Eingaben über die Zustände bei mir gemeldet", wird Robbe zitiert. In der neuen Woche werde er den Verteidigungsausschuss informieren.

Zunächst hatte sich ein Soldat bei Robbe beschwert, der bei einem Ritual des Gebirgsjägerbataillons 233 im Juni 2009 Rollmöpse mit Frischhefe essen musste, wie auch Ermittlungen der Bundeswehr bestätigten. Die Staatsanwaltschaft München II prüft Ermittlungen gegen einen Soldaten wegen des Verdachts auf vorsätzliche Körperverletzung.

Die Vorfälle wecken Erinnerungen an den Bundeswehr-Skandal von Coesfeld (Nordrhein-Westfalen). Dort wurden im Jahr 2004 insgesamt 163 Rekruten bei simulierten Geiselnahmen von Ausbildern gequält und gedemütigt. Was genau geschah, ist wegen des Schweigens der mutmaßlichen Täter noch nicht geklärt. Der Bundesgerichtshof hob im vergangenen Jahr Freisprüche des Landgerichts Münster für acht Angeklagte auf. Die Fälle müssen nun neu verhandelt werden. Fünf Angeklagte wurden wegen Misshandlung von Rekruten zu Bewährungsstrafen verurteilt.