Der bisherige Ministerpräsident kümmert sich in Brüssel um Energie und die Reduzierung der Treibhausgase.

Hamburg/Straßburg. Seinen letzten Arbeitstag als Regierungschef von Baden-Württemberg nutzte Günther Oettinger (CDU), um sich noch einmal gebührend feiern zu lassen. Also fuhr er zum Fasching in den Europapark Rust. Dorthin hatte ihn die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte eingeladen, um ihn zum Ehrenträger der "Narrenschelle" zu ernennen. Allzu oft wird sich der scheidende Ministerpräsident nun nicht mehr in seinen Heimatgefilden blicken lassen können. Heute wird Stefan Mappus (CDU) zu Oettingers Nachfolger in Stuttgart gewählt. Und Oettinger konnte gestern als deutscher Kommissar seine Arbeit in Brüssel aufnehmen.

Das Europaparlament stimmte dem neuen Führungsgremium in Straßburg mit großer Mehrheit - und mehr als dreimonatiger Verspätung - zu. Das Kollegium der 26 Männer und Frauen mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso an der Spitze fand die Zustimmung von 488 Abgeordneten. 137 Abgeordnete vor allem der Grünen und der Linken stimmten mit Nein. Es waren dennoch etwas weniger als die 149 Gegenstimmen bei der Wahl der letzten Kommission. 72 Abgeordnete enthielten sich. Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale stützten die ungeliebte Kommission zähneknirschend. Die britischen Konservativen enthielten sich. Grünen-Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit nannte die Vertreter der zustimmenden Parteien eine "Koalition der Heuchler": "Sie sitzen hier und sagen kurz vor dem Valentinstag: Wir lieben dich zwar nicht, aber wir stimmen für dich."

Oettinger übernimmt nun das an Bedeutung zunehmende Energie-Ressort. Er wird auch die beschlossene Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen um 20 Prozent bis 2020 mitverantworten. Barroso kündigte als Ziel an, er werde alles für einen "erfolgreichen Ausstieg aus der Wirtschaftskrise" tun. Er appellierte an die EU-Regierungen, ihre Wirtschafts- und Konjunkturpolitik eng abzustimmen.

In den nächsten fünf Jahren müsse die Kommission dem Europäischen Parlament vor allem beweisen, dass sie ihre Versprechen einhält, sagte Knut Fleckenstein, Mitglied der SPD und Abgeordneter im EU-Parlament, dem Hamburger Abendblatt. "Denn die Kommission hat in den vergangenen Jahren ihren Worten kaum Taten folgen lassen. Ihr Vorsitzender Barroso wirkte oft nur wie ein Diener der 27 Regierungschefs." Vor allem die Sozialpolitik müsse wieder eine stärkere Rolle in Europa spielen, betonte Fleckenstein. "Wir konnten durchsetzen, dass die künftige Kommission für jede Maßnahme eine Abschätzung über deren soziale Folgen für die Menschen in Europa machen muss, bevor ein Gesetz in Kraft treten kann."