Teheran brüskiert den Westen und macht keine Zugeständnisse bei seinem umstrittenen Atom-Programm.

München. Wolfgang Ischinger hätte sich eine Menge Ärger ersparen können. Der Organisator der Münchner Sicherheitskonferenz hatte den iranischen Außenminister Manuchehr Mottaki nach Bayern eingeladen und ihm ein großes Forum geboten, die Sicht der Islamischen Republik auf den Atomstreit mit der internationalen Gemeinschaft darzulegen. Ischinger hatte die Hoffnung, Mottakis Auftritt werde neuen Schwung in die seit Monaten stockenden Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm bringen.

Die meisten westlichen Teilnehmer der Konferenz teilten diese Zuversicht nicht. Viele hätten Mottaki lieber nicht in München gesehen, gab Ischinger zu. Am deutlichsten formulierte US-Senator Joe Lieberman seine Bedenken. "Der Dialog mit dem Iran dauert seit sechs Jahren ohne irgendein Ergebnis an", sagte Lieberman. Gespräche machten erst wieder Sinn, wenn man dem Land vorher "die Zähne zeigt".

Die Skeptiker sollten recht behalten. Mottaki nutzte seine Auftritte zu weitschweifigen Ausführungen, ohne jedoch konkrete Zusagen zu machen. Der Iraner habe mit "viel rhetorischer Finesse herzlich wenig gesagt", stellte der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg fest. Senator Lieberman nannte die Äußerungen Mottakis "lachhaft und intellektuell unredlich. Ich weiß nicht, wie man mit einer Regierung verhandeln soll, die einen Minister schickt, der uns alle anlügt."

Spätestens seit Sonntag früh ist klar, dass diese Regierung gar nicht verhandeln will, sondern weiter auf Konfrontation setzt. Via Staatsfernsehen ließ Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Welt wissen, dass er seine Atombehörde angewiesen habe, mit der Produktion von hoch angereichertem Uran zu beginnen. Dabei war Mottaki nach München gereist, um die Bereitschaft Ahmadinedschads zu beteuern, das Uran im Ausland anreichern zu lassen. Iran braucht den Brennstoff für einen medizinischen Forschungsreaktor. Der Streit mit dem Westen dreht sich seit Jahren um die Frage, wie die Mullahs in die Lage versetzt werden können, die Atomenergie friedlich zu nutzen, ohne gleichzeitig in den Besitz von atomwaffenfähigem Material zu gelangen. Das Ausland fürchtet, das Regime in Teheran könnte angereicherten Brennstoff für den Bau eines Sprengkopfes verwenden. Der Vorschlag des Westens, das für den Forschungsreaktor benötigte Uran im Ausland anzureichern, war ein Kompromissangebot, das vor allem Zeit für weitere Verhandlungen bringen sollte.

"Selbst wenn es jemanden gegeben haben sollte, der in Mottakis Vortrag ein Entgegenkommen gesehen hat, der sieht sich jetzt eines Besseren belehrt", sagte Ischinger. Seine Hoffnungen seien enttäuscht worden, er werte Ahmadinedschads Äußerung als handfeste Drohung.

Die Amerikaner jedenfalls sind mit ihrer Geduld gegenüber den Mullahs jetzt am Ende. "Wir müssen uns entscheiden: entweder für harte Wirtschaftssanktionen, damit die Diplomatie funktioniert, oder wir stehen vor militärischem Eingreifen", sagte Senator Lieberman. Er verwies darauf, dass die militärische Führung der USA bereits entsprechende Pläne für den Fall bestätigt habe, dass es nicht zu einer politischen Lösung komme. "Niemand will, dass das passiert. Aber wenn wir nicht gemeinsam und stark handeln und wenn wir nicht mehr tun, als nur zu reden, dann wird genau das passieren." Auch die Bundesregierung unterstrich ihre Bereitschaft, gegen den Iran vorzugehen. Außenminister Guido Westerwelle sprach sich in der "Welt am Sonntag" zwar gegen einen Militärschlag aus, signalisierte aber Unterstützung für Wirtschaftssanktionen. Sein Kabinettskollege Guttenberg sieht den Uno-Sicherheitsrat am Zug und appellierte an Russland und China, sich nötigen Maßnahmen nicht zu verweigern. Während sich Moskau gegenüber einer neuen Sanktionsrunde aufgeschlossen zeigte, gab sich China zurückhaltend. Außenminister Yang Jiechei forderte mehr Geduld mit dem Iran.

Die anderen Themen der Sicherheitskonferenz standen im Schatten der Iran-Debatte. Am Freitag war über Energiesicherheit diskutiert worden, am Sonnabend über Rüstungskontrolle. Zum Abschluss ging es gestern um die künftige Strategie der Nato und die Lage in Afghanistan. Der afghanische Präsident Hamid Karsai überraschte die Konferenz dabei mit der Idee, die 1992 abgeschaffte Wehrpflicht wieder einzuführen. Damit könne jungen Männern eine Ausbildungsperspektive gegeben werden. Außerdem bekräftigte er die Notwendigkeit eines Aussöhnungsprozesses mit den Taliban.

US-Senator John McCain dämpfte Karsais Optimismus und stimmte die Alliierten auf schwere Zeiten am Hindukusch ein. "Wir werden ein sehr hartes Jahr haben", sagte der ehemalige Präsidentschaftsbewerber. "Die Zahl der Gefallenen wird steigen, genau wie im Irak, als wir dort die Truppen verstärkt haben." Er warnte auch davor, zu viele Hoffnungen auf Versöhnung zu setzen. "Normalerweise will sich der Feind erst versöhnen, wenn er dabei ist, den Kampf zu verlieren", sagte McCain.

Insgesamt will die Nato in Sicherheitsfragen künftig weltweit eine größere Rolle spielen. Das Bündnis aus 28 Mitgliedstaaten will im November in Lissabon eine neue Strategie beschließen. Dabei geht es vor allem um die Frage nach den künftigen Hauptaufgaben der Militärallianz. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen plädiert dabei für neue Partnerschaften mit Ländern wie China, Indien und Pakistan. Das Bündnis müsse ein Forum für globale Sicherheitsfragen werden, wenn auch nicht weltweit militärisch aktiv. Guttenberg forderte mehr Effektivität und ein Ende der "Fensterreden". Die Nato müsse zwar weiter am Konsensprinzip festhalten, aber Einstimmigkeit sei nicht immer nötig.

Rund 2000 Menschen haben nach Angaben der Polizei überwiegend friedlich gegen die internationale Sicherheitskonferenz protestiert. Die Veranstalter sprachen von etwa 4000 Demonstranten. Rund 3700 Polizeibeamte aus mehreren Bundesländern waren am Wochenende in der bayerischen Landeshauptstadt im Einsatz.