Hamburg/Berlin. Nur noch acht Prozent würden die FDP wählen, in Nordrhein-Westfalen nur noch sechs Prozent. Und dort soll sich bei den Landtagswahlen am 9. Mai die schwarz-gelbe Koalition im Bund neues Selbstbewusstsein holen. Der Absturz in den Umfragen treibt die Spitzen der FDP an diesem Sonntag zu einem außerplanmäßigen Treffen in Berlin zusammen.

Präsidium und Fraktionsvorstand treffen sich zu einem Parteigipfel, der nicht "Krisengipfel" heißen soll, wie die Vize-Vorsitzende Cornelia Pieper sagte. Bei dem Treffen gehe es um die Vorbereitung auf den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen, wo am 9. Mai die schwarz-gelbe Regierung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Vize Andreas Pinkwart (FDP) im Amt bestätigt werden soll. Pieper sagte, der kleine Gipfel solle Pinkwart Rückenwind geben und die Geschlossenheit der Partei herstellen.

Das wäre auch ein nötiger Appell für die Topleute von Union und FDP auf Bundesebene. Die aufgestaute Konfrontation zwischen Liberalen und der CSU in der Gesundheitspolitik hat sich in Maybrit Illners ZDF-Talkshow extrem entladen. Zwischen Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr (FDP) und dem bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) wurde es beinahe körperlich. Bahr gestikulierte mit der Hand und traf fast den Kopf Söders, der zu seiner Rechten saß. Mit einem Anflug von Abscheu um die Lippen zuckte Söder weg. "Pack' mich bloß nicht an", sagte Söders Mimik. Die Nerven der schwarz-gelben Partner lagen blank. Es ging hin und her: "Herr Söder, dass der Gesundheitsfonds bleibt, war der Wunsch der Union." "Herr Bahr, bei der FDP ist alles Theorie. Sie hängen einem Parteiprogramm nach."

Bahr sagte, er und Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) wollten mit einem neuen Prämienmodell "raus aus dem Gewurstel". Das sollte den Bayern erst recht reizen. Söder sagte, er wollte einen Termin mit Rösler vereinbaren. "Sein Büro sagte mir, das klappt erst im Mai." Soll heißen: So geht man nicht mit einem Partner um. Bahr drohte dagegen unverhohlen: Wenn die CSU sich in der Gesundheit vom Koalitionsvertrag abwende, dann müsse man auch andere Fundamente des schwarz-gelben Bündnisses neu diskutieren.

Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich hinter den FDP-Mann Rösler stellt, haben Verbitterung und Nervosität die Liberalen ergriffen. Merkel sagt, der Wechsel zu Prämien statt einkommensabhängigen Beiträgen für die Krankenkassen werde "Schritt für Schritt, sinnvoll und vernünftig gemacht". Ihrem Wunschbündnis ist in den Umfragen jedoch die Mehrheit verloren gegangen. Drei Monate vor der wegweisenden Landtagswahl an Rhein und Ruhr ist das alarmierend.

FDP-Parteichef Guido Westerwelle bagatellisierte im Deutschlandfunk die ARD-Zahlen: "Wir alle wissen, dass Umfragen Momentaufnahmen sind." Das Hin und Her der Liberalen bei der umstrittenen Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen hat das Profil des kleinen Koalitionspartners und seiner Topleute wie Westerwelle, Rösler und Brüderle ergrauen lassen. Auch ihre persönlichen Zustimmungswerte sackten ab.

Welche Steuersenkung scheint noch drin für eine ehemals dynamische Truppe, die als erste Amtshandlung die Hotelbranche entlastete und erst einmal Milliarden Euro Steuergeld für ein neues Gesundheitssystem bräuchte?

Dass Rösler sein Amt an den Erfolg der Gesundheitsreform kettete, macht die Lage nicht besser. Oder hat Merkel gerade deshalb einem FDP-Mann das schwierige Gesundheitsressort gegeben, weil sie weiß, dass man darin nicht gewinnen kann?

Rösler sagte gestern bei einer Veranstaltung in Köln, eine Gesundheitsprämie komme in "drei bis vier Jahren".

Im heutigen Gesundheitswesen sei der Ausgleich zwischen Arm und Reich "nicht treffsicher und falsch". Er handele nach dem Prinzip: "Die starken Gesunden helfen den schwachen Kranken."

Trost erhält zumindest Rösler von den sonst so kritischen Ärzten. Der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, kritisierte im Abendblatt die "kollektive Schnappatmung der üblichen und unvermeidlichen Besserwisser". Was der junge Gesundheitsminister bislang gesagt habe, sei "sachorientiert und solide gewesen". Grauduszus sagte: "Herr Rösler sollte sich nicht beirren lassen."