Hamburg. "Ich habe in meinem ganzen politischen Leben noch nie so viele Kränkungen hinnehmen müssen." Wenn einer wie Horst Seehofer so etwas sagt, ahnt man, wie es um ihn bestellt ist. Die vergangenen 100 Tage waren für den CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten alles andere als gut. Die CSU ist nur solange stark in Berlin, wie sie stark in Bayern ist. Und stark ist die CSU im Freistaat derzeit nicht. Mit 42,5 Prozent in Bayern holte Seehofer bei der Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis seit 60 Jahren. Im Wahlkampf hatte er die FDP attackiert, obwohl er in Bayern mit ihr koaliert. Nach der Wahl war die FDP im Bund doppelt so stark wie die CSU. Seehofer stand vor dem Aus, konnte sich aber halten. "Es gibt keine erkennbare Alternative, die in ihrer Entwicklung weit genug wäre und dazu noch akzeptiert in der Partei", sagte der Passauer Politikprofessor Heinrich Oberreuter dem Abendblatt.

In den Koalitionsverhandlungen suchte Seehofer wieder die Nähe zur FDP. Steuerentlastungen hatten beide Parteien gefordert - und so ließen sie es in den Koalitionsvertrag schreiben. Mittlerweile sind die Christsozialen wieder eingeknickt und melden Bedenken wegen des entstehenden Haushaltslochs an. "Ich kann keine Linie erkennen", sagt CSU-Experte Oberreuter. Beschlossen ist ohnehin noch gar nichts, Kanzlerin Angela Merkel verweist auf den Bericht der Steuerschätzer, die CSU fügt sich. "Am Willen der Kanzlerin vorbei kann niemand etwas durchsetzen", sagt Oberreuter. Auch kein Seehofer.

Das größte Problem für den CSU-Chef heißt jedoch Bayerische Landesbank. Die hatte sich beim Kauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA) böse verzockt: Die HGAA entpuppte sich als Milliardengrab. Insgesamt 3,7 Milliarden Euro musste Seehofer in die Staatsbank pumpen. Später kam heraus: Der mittlerweile verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, der den Bayern die Kärntner HGAA-Anteile verkauft hatte, hatte den Erlös an seine Bürger verschenkt - 1000 Euro für alle Jugendlichen zwischen 16 und 18, Geld für einen Fußballklub. Bezahlt mit Steuergeld aus Bayern. Die stolzen Bürger des Freistaats suchen die Schuld bei der CSU. Hatten nicht mehrere Partei-Promis im Verwaltungsrat der Bank gesessen und den Deal abgesegnet? Auch wenn Seehofer eine weiße Weste hat - die Wirtschaftskompetenz der CSU ist infrage gestellt. Und vor dem Augsburger Landgericht plaudert in diesen Tagen der ehemalige Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber über schwarze Kassen der CSU. Der Zeitpunkt könnte schlechter nicht sein.

Auch das Regieren in Berlin läuft nicht so gut: Seehofer ist wegen der bayerischen Probleme absorbiert. CSU-Popstar Karl-Theodor zu Guttenberg steht wegen der Kundus-Affäre unter Druck. Verbraucherministerin Ilse Aigner und Verkehrsminister Peter Ramsauer blieben blass. Und den neuen Chef der früher so mächtigen CSU-Landesgruppe, Hans-Peter Friedrich, kennt kaum jemand. Schon ist wieder vom Horrorszenario die Rede: dass die CSU eine Provinzpartei wird.

Dass sich die CSU dafür eingesetzt hat, die Mehrwertsteuer für die Hotellerie zu senken und dafür vor der Bundestagswahl wie die FDP Geld aus der Branche erhielt, ist peinlich. Lächerlich machten sich die CSUler auch, als sie allen Ernstes Guttenberg als Vizekanzler forderten. Als Druckventil bei so viel Frust taugte da noch immer der Koalitionskrach mit der FDP. Die Bayern meckerten über die Afghanistan-Politik von Außenminister Guido Westerwelle und verstärken neuerdings ihren Druck auf Gesundheitsminister Philipp Rösler und dessen Kopfpauschale.

Horst Seehofer übt sich mittlerweile in Demut. Auf 41 Prozent der Stimmen kam die CSU Anfang Januar, viele hatten mit Werten weit unter 40 Prozent gerechnet. Seehofer äußerte sich über die Umfrage erfreut. Das zeigt, wie weit es mit seiner Partei gekommen ist. CSU-Kenner Oberreuter sagt: "Die Verankerung der Partei in der bayerischen Gesellschaft ist unsicher."