Berlin. Die Grünen befinden sich rund drei Monate vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen in einem Stimmungshoch - im Land wie im Bund. In dem von Forsa ermittelten "Stern-RTL-Wahltrend" kam die Öko-Partei zum zweiten Mal in Folge auf ihren Rekordwert von bundesweit 16 Prozent. In NRW legten die Grünen gemäß Forsa sogar um satte fünf Prozent zu. Die CDU liegt dort derzeit bei 41 Prozent, knapp vier Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis vom Mai 2005, die FDP wie 2005 bei knapp sechs Prozent der Stimmen. Da CDU und FDP zusammen nur noch auf 47 Prozent kämen, hätten sie keine Mehrheit mehr in Nordrhein-Westfalen.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Guido Westerwelle wäre das bitter: Sollte die schwarz-gelbe Koalition im größten deutschen Bundesland nicht wiedergewählt werden, hätte die Berliner Koalition ihre Mehrheit im Bundesrat verloren. Gesetzesvorhaben könnten am Widerstand der Länderkammer scheitern.

Gleichzeitig steigen die Chancen, dass Rüttgers das Land nach der Wahl am 9. Mai gemeinsam mit den Grünen regiert. Für die Delegiertenkonferenz am kommenden Wochenende in Essen hat der Vorstand einen Wahlaufruf erarbeitet, in dem lediglich ein Jamaika-Bündnis, wie es im Saarland existiert, ausgeschlossen wird. Auch die Tolerierung einer rot-grünen Regierung durch die Linkspartei kommt demnach nicht infrage.

Ansonsten gilt die von der Bundesspitze ausgegebene und mit Erfolg praktizierte Ansage: Auf Eigenständigkeit setzen und die Inhalte entscheiden lassen. "Es kann immer nur um die Frage gehen, wie viel grüne Politik sich in einer jeweiligen Regierungskonstellation durchsetzen lässt. Dass diese Haltung auf Zustimmung bei den Menschen trifft, freut mich sehr", sagte Katharina Fegebank, Landesvorsitzende der GAL Hamburg. Empfehlungen in Richtung NRW verböten sich aber, zumal letztlich auch der Stil des persönlichen Umgangs entscheide, mit wem eine Zusammenarbeit möglich sei.

"Wir streben in Düsseldorf Rot-Grün an und sehen eine gute Chance, das auch zu schaffen", sagte Vizefraktionschefin Bärbel Höhn, dem Abendblatt. "Ein Bündnis mit der CDU schließen wir allerdings nicht aus. Sollte wider Erwarten auf der Landesdelegiertenversammlung ein darauf abzielender Antrag gestellt werden, dann bekäme er wahrscheinlich keine Mehrheit, da viele Delegierte in den Städten bereits mit der CDU zusammenarbeiten." Lediglich ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP komme nicht infrage, da die Grünen nicht Steigbügelhalter einer abgewählten Regierung sein wollten.

Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, griff in einer ersten Reaktion auf die neuen Umfragen denn auch die FDP scharf an: "Die panikartigen Aktionen von FDP-Chef Andreas Pinkwart gegen die eigene Bundespartei zeigen, dass er inzwischen selbst nicht mehr an einen Sieg von Schwarz-Gelb glaubt", so Özdemir zum Abendblatt. "Die FDP hat erst das Maß und dann die Glaubwürdigkeit verloren. Aus gutem Grund steht nun auch ihr Einzug in den Landtag infrage."

Nordrhein-Westfalens FDP-Landeschef Andreas Pinkwart hatte sich vor wenigen Tagen überraschend vom Wachstumsbeschleunigungsgesetz distanziert, das CDU und FDP auf Bundesebene beschlossen haben, und die Aussetzung der umstrittenen Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers gefordert. Später hatte er das zurückgenommen.