Hamburg. Die frühere FDP-Staatsministerin Hildegard Hamm-Brücher hat die FDP ermutigt, die Senkung der Mehrwertsteuer für das Hotelgewerbe rückgängig zu machen. "Es wäre fantastisch und mutig, dieses Gesetz zurückzunehmen", sagte Hamm-Brücher im Gespräch mit dem Abendblatt. "Aber es ist wohl völlig unrealistisch, dass dies geschieht." Die ehemalige Vize-Vorsitzende der Liberalen, die 2002 aus der Partei austrat, schlug der FDP vor, die Hotelierspenden in Höhe von 1,1 Millionen Euro für Bildungszwecke zur Verfügung zu stellen. "Die FDP könnte mit dem Geld eine Stiftung gründen, mit der Ausbildungs- und Fortbildungsstipendien, zum Beispiel von Migranten, finanziert werden", sagte sie.

Der schwarz-gelben Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte die 88-Jährige ein schlechtes Zeugnis aus. "Der Start der Regierung ist nicht gelungen. Und die FDP hat offenbar unterschätzt, wie schwer es ist, zu regieren." An der Leistung Merkels als Kanzlerin bestehe hingegen kein Zweifel. "Ich bewundere sie sehr." Zum Erscheinungsbild ihrer ehemaligen Partei sagte Hamm-Brücher: "Die FDP ist so liberal wie alle anderen Parteien auch."

2002 war die Politikerin aus der Partei ausgetreten, nachdem der nordrhein-westfälische FDP-Landesvorsitzende Jürgen Möllemann einen Flyer an alle Haushalte in dem Bundesland hatte verteilen lassen, in dem er sich als Kritiker des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon und als Opfer einer Kampagne des damaligen Vize-Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. FDP-Chef Guido Westerwelle ließ Möllemann gewähren. Erst kurz vor der Bundestagswahl distanzierte sich die Partei von ihm. Für Hamm-Brücher kam die Reaktion viel zu spät. Am Tag der Bundestagswahl verkündete sie ihren Austritt. "Ich konnte in keiner Partei sein, in der es auch nur eine Spur von Antisemitismus gibt", so die Politikerin. "Ich habe diesen Schritt nie bereut", sagte Hamm-Brücher weiter und betonte: "Eintreten tue ich nicht mehr." Sie habe den Parteivorsitzenden 2002 in drei Briefen vor einem Rechtsruck in der Partei gewarnt. "Guido Westerwelle hat sich nie bemüßigt, mir eine angemessene Antwort zu schreiben. Das kann man mit mir nicht machen."

Auch wenn eine Rückkehr in die Partei für Hamm-Brücher ausgeschlossen ist, wünscht sie sich Aussöhnung mit der FDP. "Ich bin bereit zu einem Burgfrieden mit der FDP. Ich würde sehr gern mit Guido Westerwelle und weiteren führenden FDP-Politikern ein ruhiges, offenes, ausführliches Gespräch führen", sagte sie. Sollte das Gespräch positiv verlaufen, sei sie bereit, sich in einigen Politikfeldern wieder für die FDP zu engagieren. "In bestimmten Fragen würde ich die Partei wieder unterstützen, etwa in der Gesellschafts- und Demokratiepolitik. Die zunehmende Entfremdung zwischen den Parteien und den Bürgern ist bedrohlich. Da würde ich gern helfen."

Hamm-Brücher war 54 Jahre lang in der FDP und von 1976 bis 1982 Staatsministerin im Auswärtigen Amt. 1994 unterlag sie als Kandidatin der Liberalen bei der Bundespräsidentenwahl.