Für orthodoxe Juden ist Hebräisch noch immer die Sakralsprache ihrer Urväter, so heilig, dass ihre profane Benutzung im Alltag eigentlich eine Entweihung darstellt.

Und es wird nicht wenige Menschen in Israel geben, die das Parlament der Deutschen in Berlin für den allerletzten Ort halten, an dem Hebräisch erklingen sollte. Dass Israels Präsident Shimon Peres seine bewegende Rede zum Holocaust-Gedenktag auf Hebräisch hielt, ist sowohl ein Ausdruck für Selbstbewusstsein als auch für den erstaunlichen Grad an Annäherung, die das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel erreicht hat. Das Wort Normalität wäre ein Fehlgriff und wird es noch sehr lange bleiben - der Staat Israel, die einzige echte Demokratie im Nahen und Mittleren Osten, hat sich buchstäblich aus der Asche des Holocaust erhoben.

Das leidenschaftliche "nie wieder", das Peres im Bundestag ausrief, das zahllose israelische Rekruten auf der antiken Felsenfestung von Masada geschworen haben, wo sich vor zwei Jahrtausenden mehr als 900 Juden den Freitod gaben, um nicht in römische Sklaverei zu geraten, dieses "nie wieder" gilt heute weit weniger den Deutschen als Mahnung denn als Warnung vor ganz konkreten Gefahren für das jüdische Volk. Ein Hass auf Juden, ein Wille zu ihrer Vernichtung findet sich heute nicht in Deutschland, sondern in der Nachbarschaft Israels.

Schimon Peres, dessen Familie von Deutschen lebendig verbrannt wurde, hat Angela Merkels Erklärung vor dem US-Kongress, dass ein Angriff auf Israel einem Angriff auf Deutschland gleichkomme, sehr ernst genommen. Und wir sollten dies auch tun. Sechseinhalb Jahrzehnte nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz kann von einer Schuld der jetzt lebenden Deutschen keine Rede sein. Doch wir sind es, die die Hauptverantwortung für das "nie wieder" tragen.