Hamburg. Den inoffiziellen Titel als "Deutschlands oberster Pharma-Kontrolleur" trägt Peter Sawicki (52) voller Stolz. Sein Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) legt fest, welche neuen Pillen sinnvoll sind, verordnet und bezahlt werden dürfen. Von seinem Urteil hing oft ab, ob ein Pharma-Unternehmen Profit machte. Jetzt hat der Institutsvorstand beschlossen, dass Sawicki zum 31. August gehen muss. Das Gesundheitsministerium gab den Ausschlag.

Vordergründig geht es um eine Dienstwagen- und Spesenaffäre. Sawicki soll Fahrten mit seinem Audi Q 7 falsch abgerechnet und auf innerdeutschen Flügen die Businessklasse gebucht haben. Er bestreitet ein Fehlverhalten. Hintergründig aber geht es auch um die Macht über die Pillen und die Patienten. Mit dem Wechsel zu Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) habe der kritische Sawicki nicht mehr in die politische Landschaft gepasst, sagen Kritiker. SPD und Grüne wittern ein Entgegenkommen gegenüber der Pharmaindustrie. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, Rösler sei ein "Erfüllungsgehilfe der Pharmalobby".

Zuletzt war kritisiert worden, dass Rösler sein Grundsatzreferat mit Christian Weber besetzt. Weber arbeitete im Verband der privaten Krankenversicherungen in leitender Position. Die Opposition befürchtet nun, dass Röslers Gesundheitsreform maßgeblich von den Privatversicherern mitgestaltet wird. Wie schon bei der Mehrwertsteuer für Hotels lautet der Vorwurf: Die FDP betreibt nur Politik für die eigene Klientel. Und selbst die acht Euro Zusatzprämie, die fast alle Krankenkassen demnächst monatlich verlangen, werden Rösler angelastet. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisierte die bürokratischen Kosten: "Anstatt Millionenbeträge in die Administration von Zusatzbeiträgen zu lenken, muss die Bundesregierung endlich eine Strategie zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen vorlegen", sagte Verbraucherschützer Gerd Billen.

Dass ein Minister in die Nähe von Lobbygruppen gerückt wird, ist nicht neu. Röslers Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD) holte einen AOK-Verantwortlichen ins Ministerium, Franz Knieps. Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) engagierte den Vizechef der IG Metall, Walter Riester, als Arbeitsminister. Und er holte den RWE-Manager Werner Müller als Wirtschaftsminister. Müller konnte nach dem Seitenwechsel aber kaum als stiller Lobbyist der Energiewirtschaft bezeichnet werden. Er handelte den Atomausstieg mit aus.