Ein Arbeitslosenhilfesystem ohne “Element von Abschreckung“ - nach Ansicht von Roland Koch (CDU) kann das nicht funktionieren.

Hamburg. Ein Arbeitslosenhilfesystem ohne ein "Element von Abschreckung" - nach Ansicht des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) kann das nicht funktionieren. Er hat darum eine Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger gefordert. Koch fürchtet, dass es Menschen geben könnte, die "das Leben von Hartz IV als angenehme Variante" ansehen könnten. Deshalb müsse jedem abverlangt werden, "dass er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgehe, auch niederwertige Arbeit, im Zweifel in einer öffentlichen Beschäftigung", sagte Koch der "Wirtschaftswoche". Gleichzeitig sprach er sich für höhere Hinzuverdienstgrenzen aus.

Für seinen Vorschlag wurde Koch scharf kritisiert. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ging umgehend auf Distanz. Sie wisse, "dass es einige schwarze Schafe gibt, aber deswegen dürfen wir nicht alle Hartz-IV-Empfänger in eine Ecke stellen", sagte von der Leyen. "Das Problem lösen wir nicht, indem wir sie beschimpfen, sondern gezielt helfen." Würden Jobs grundlos abgelehnt, reichten die gesetzlichen Sanktionen aus. "Sie müssen nur überall konsequent angewendet werden", so die Ministerin.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte empört auf Koch. "Es ist schon fast unanständig, mit diesem Vorstoß zu suggerieren, dass die Arbeitslosen arbeitsscheu wären", sagte DGB-Chef Michael Sommer der "Welt am Sonntag". Offensichtlich sei Koch von "der CDU auserkoren worden, in der ,Abteilung Vorurteile der Stammtische' im Trüben zu fischen". Koch habe ein "repressives Bild vom Menschen", kritisierte auch SPD-Chef Sigmar Gabriel auf einer Klausurtagung der hessischen SPD. Der Sprecher des Erwerbslosenforums, Martin Behrsing, wandte ein, dass Koch für "brutalstmögliche" Vorschläge bekannt sei. "Allerdings überspannt er diesmal den Bogen erheblich, wenn er ein Leben mit Hartz IV als angenehme Variante ansieht."

Die FDP schlug hingegen in eine ähnliche Kerbe wie Koch. "Man kann nicht immer nur an diejenigen denken, die Leistungen des Staates erhalten, man muss endlich auch an diejenigen denken, die den Karren ziehen", forderte FDP-Chef Guido Westerwelle beim Neujahrsempfang der Liberalen Nordrhein-Westfalens. NRW-Fraktionschef Gerhard Papke verlangte von der Politik, sich wieder um die zu kümmern, "die Hartz IV bezahlen".

So verschieden die Vorstellungen über ein gerechtes Hartz-IV-Gesetz sind: Dass es reformiert werden soll, dafür sprechen sich immer mehr Politiker aus. Vergangene Woche hatten NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) eine "Grundrevision" gefordert und von der Leyen eine Reform angekündigt. Ohnehin könnte an Änderungen möglicherweise kein Weg vorbeiführen. Denn das Bundesverfassungsgericht überprüft zurzeit die Hartz-IV-Sätze.

Vor einem Totalumbau warnte der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, allerdings. "Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt wäre ernsthaft gefährdet, wenn wir die Reformen der vergangenen Jahre zurückdrehen würden", sagt Weise dem "Spiegel". Auch Forderungen, das sogenannte Schonvermögen, das Langzeitarbeitslose nicht mit dem Arbeitslosengeld II (ALG) verrechnen müssen, deutlich zu erhöhen, wies Weise zurück. Die Grundsicherung finanzierten auch Geringverdienende mit ihren Steuern. "Halten Sie es für einen Ausweis besonderer Gerechtigkeit, wenn künftig die Friseurin den wohlhabenden Eigentümer mehrerer Immobilien mitfinanzieren würde?", fragte Weise. Ebenso ist er dagegen, denjenigen, die lange in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, länger das ALG I zu gewähren. "Die Arbeitslosenversicherung ist eine Risikoversicherung und kein Sparvertrag", so Weise.