Hamburg/Berlin. Die Grünen sind in die Jahre gekommen. Lackschuh statt Turnschuh, Anzug statt Strickpulli. Doch die Secondhand-Rockerlederjacke musste Parteivorsitzende Claudia Roth bei der feierlichen Geburtstags-Matinee gestern in der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin doch noch einmal anziehen. Ein Geschenk der grünen Jugend mit der Aufschrift "Trau keinem über 30" in rosa Buchstaben auf dem Rücken - in Anspielung auf den 30. Geburtstag der Ökopartei. Am 13. Januar 1980 war sie in Karlsruhe gegründet worden. Dabei haben die Wähler den Grünen gerade bei den Bundestagswahlen mit 10,7 Prozent so viel Vertrauen wie noch nie bei einer Bundestagswahl geschenkt.

Während etwa 500 geladene Parteimitglieder und Gäste sich zwischen klassischer Musik der Konzertpianistin und Grünen-Abgeordneten Agnes Krumwiede sowie Poetry-Slam mit Vergangenheit, aber vor allem mit der Zukunft der kleinsten Oppositionspartei auseinandersetzten, hatte einer daran offenbar gar kein Interesse: Joschka Fischer (61). Die ehemalige Führungsfigur der Grünen sprach gestern lieber auf dem Neujahrsempfang des Berliner Lions Clubs im Schöneberger Gasometer als Vertreter des "Europäischen Energieforums". Stern.de spürte ihn dort auf, fragte, ob er bei den Grünen nicht eingeladen gewesen wäre. "Das weiß ich nicht", antwortete er. "Aber selbst wenn ich eingeladen gewesen wäre, hätte ich abgesagt." Er hätte sich entschieden, einige Jahre "voll Abstand" zu nehmen.

Nach Abendblatt-Informationen war er eingeladen. Doch die Partei ist es schon seit 2005 gewohnt, dass Fischer an ihren Veranstaltungen nicht mehr teilnimmt. Die Partei und ihre Leitfigur haben sich entfremdet.

Deren Blick ist auch deutlicher in Richtung Zukunft gerichtet. Wer wird künftig ihr politischer Partner sein? Mit wem können sie wieder die Macht übernehmen? Özdemir hatte im Abendblatt-Interview seine Partei bereits aufgefordert, sich auf die Machtübernahme vorzubereiten. Seiner Meinung nach wird es Neuwahlen geben, da die schwarz-gelbe Regierung zu einem "vorzeitigen Ende" komme. In Hamburg regieren die Grünen bereits mit der CDU, im Saarland mit CDU und FDP.

Gastredner Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußballbundes, gestand, er sei damals nur in die CDU eingetreten, weil es die Grünen noch nicht gab. Irgendwann könnten die Parteien auch mal gemeinsam regieren. Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wollte schwarz-grüne Bündnisse nicht ausschließen. Ganz anders als Claudia Roth und CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich, die sehr skeptisch sind. Doch selbst der SPD-Vize Olaf Scholz zeigte eine Art Verständnis für mögliche schwarz-grüne Koalitionen. "Wenn wir gelegentlich ungern mit der Union koalieren, steht es den Grünen genauso frei, gelegentlich ungern mit der Union zu koalieren", sagte er bei der Feierstunde und lobte den Wunschkoalitionspartner der SPD: Die Grünen seien eine eigenständige Partei und "kein Betriebsunfall der Geschichte", sagte Scholz. "Sie sind nicht die Hilfstruppen der SPD."