Berlin. Wer solche Parteifreunde hat, braucht keine Feinde: Während Berlins früherer Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) in Frankfurt seinem neuen Job bei der Deutschen Bundesbank nachgeht, haben seine Genossen klammheimlich ein Gutachten beim Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum in Auftrag gegeben. Das liegt jetzt vor und kommt auf 21 Seiten zu dem Schluss, dass ein Interview, das Sarrazin im Oktober der Kulturzeitschrift "Lettre International" gab, streckenweise "eindeutig als rassistisch" zu bewerten sei.

Das Ziel, das die Auftraggeber - SPD-Kreisverband Spandau und die Abteilung Alt-Pankow - verfolgen, ist offenkundig: Sie wollen Sarrazin aus der Partei ausschließen lassen. Mit ihrem ersten Versuch sind sie gescheitert. Mitte Dezember hat die zuständige Kreisschiedskommission Charlottenburg-Wilmersdorf die entsprechenden Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, Sarrazin habe weder die innerparteiliche Solidarität verletzt noch eine "ehrlose Handlung" begangen. Mit diesem Schiedsspruch war das Ordnungsverfahren eingestellt worden, aber kurz vor Weihnachten hat die SPD Berlin-Nordost beim Landesschiedsgericht Berufung gegen die Entscheidung eingelegt.

Das Gutachten soll nun die Munition für den Ausschluss Sarrazins liefern. Es kommt laut Bericht der "Berliner Morgenpost" zu dem Schluss, dass Sarrazin in dem Interview Vorurteile verbreitet habe, die man sonst nur "von antidemokratischen, rechtsextremen Parteien" kenne. Sarrazin hatte unter anderem gesagt: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert."

Der 64-Jährige hat inzwischen erklärt, dass er gegebenenfalls durch alle Parteiinstanzen gehen wird, um seinen Ausschluss aus der SPD zu verhindern.