Die Phänomene, die dem Fehlstart von Schwarz-Gelb zugrunde liegen, lassen sich psychologisch beschreiben. Sie sind zu beobachten in den kleineren Koalitionsparteien, die sich an diesem Dreikönigstag im Staatstheater Stuttgart und in Wildbad Kreuth versammeln.

Die Diagnosen lauten Umfallertrauma und Minderwertigkeitskomplex.

Der FDP-Vorsitzende Westerwelle will das Bild verwischen, das Genscher im Wendejahr 1982 geprägt hat: das der Umfallerpartei. Daher hat er 2005, als Schröder und Fischer um ihn warben, auf die Macht verzichtet - und wurde am Ende mit Schwarz-Gelb belohnt. Aus demselben Grund beharrt Westerwelle nun auf massiven Steuersenkungen - und begeht einen schwerwiegenden Fehler. Was vor der Krise stimulierend gewirkt hätte, ruiniert in der Krise die Staatsfinanzen. Geradlinigkeit um jeden Preis ist kein Erfolgsrezept.

Der Anspruch der CSU, mehr zu sein als eine Regionalpartei, lässt sich nicht mehr glaubhaft formulieren. Während etwa in Rheinland-Pfalz die SPD mit absoluter Mehrheit regiert, muss die CSU in Bayern die Macht mit der FDP teilen. Um die Partei zu alter Größe zurückzuführen, sucht ihr Vorsitzender Seehofer die Profilierung auf Kosten der Partner; unablässig attackiert er die FDP. Eine Strategie, die geeignet ist, den Fortbestand von Schwarz-Gelb zu gefährden.

Die Bundeskanzlerin ist als Therapeutin gefragt. Angela Merkel stärkt weder die Koalition noch ihre Partner, wenn sie sich auf die Moderation der vielfältigen Konflikte beschränkt. Die Kanzlerin muss jetzt die Linie vorgeben, an der sich CSU und FDP orientieren können. Sie muss sagen, wofür sie selbst steht - gerade in der Frage weiterer Steuersenkungen. Dass dies vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen geschieht, schuldet Merkel im Übrigen auch den Wählern.