FDP-Chef Guido Westerwelle lobt die Koalition und gibt im Staatstheater den Staatsmann. Attacken überlässt er seinem Generalsekretär Christian Lindner.

Stuttgart. Es war so einiges anders in diesem Jahr beim Dreikönigstreffen der Liberalen. Früher argumentierte sich FDP-Chef Guido Westerwelle schon am Vorabend der Kundgebung an der Hotelbar warm, bei einem Glas Whisky schredderte er die Politik der anderen Parteien und führte das am nächsten Tag auf der Bühne des Stuttgarter Staatstheaters fort. In seinem Rücken, auf einer überdimensionalen Leinwand, wurde sein Auftritt von den passenden Forderungen untermalt: "Mittelstand entlasten, Familien stärken."

In diesem Jahr trank Westerwelle Tomatensaft. Breit führte er aus, dass seine Partei bislang alle ihre Wahlversprechen gehalten habe. Auf der Leinwand stand dazu passend zu lesen: "Mittelstand entlastet, Familien gestärkt". Das verbale Böllern überließ der zum Vizekanzler und Außenminister aufgestiegene FDP-Vorsitzende der CSU in Wildbad Kreuth. Westerwelle versuchte sich im Staatstheater als Staatsmann, der Angriffe nur dosiert einstreute und sich vor allem auf das Verteidigen und Erklären seiner nach eigenen Worten langfristig angelegten Politik konzentrierte. Seine Botschaft lautete: "Die Zeit, in der Deutschland sich im Gestrüpp der Tagespolitik verheddert, muss vorbei sein. Es geht um die langen Linien, es geht um eine Politik der geistig-moralischen Wende." Dreikönig war diesmal die gedämpfte, manchmal pathetische Begleitmusik einer Partei auf der Suche nach ihrer neuen Rolle.

Kein Wort war von Westerwelle zu hören zum Streit mit der Union über Erika Steinbach. Stattdessen ließ er seinen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, die Forderungen der Vertriebenenpräsidentin nach dem Rückzug des Bundes aus der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung abweisen.

Kein scharfes Wort kam vom Vizekanzler auch zum innerkoalitionären Dauerstreit über Steuer-, Gesundheits- oder Bürgerrechtspolitik. Attacken auf den Koalitionspartner delegierte er an seinen neuen Generalsekretär Christian Lindner, der die CSU in einer frischen Rede als "Stichwortgeber" aus München verulkte. Von Westerwelle gab es sogar nette Worte für die störrischen Partner. Ausdrücklich lobte er Kanzlerin Merkel (CDU), CSU-Chef Seehofer, Finanzminister Schäuble (CDU) und Unionsfraktionschef Kauder. Die würden sich "an unseren Koalitionsvertrag halten" und ihn "Seite für Seite" mit der FDP umsetzen. Die seit der Regierungsbildung währenden Konflikte sind für Westerwelle vorübergehende Startschwierigkeiten: "Manchmal rumpelt es etwas auf dem Weg, aber entscheidend ist, was hinten rauskommt." Und rauskommen soll am Ende nicht weniger als ein anderes Land: offen für technischen Fortschritt, mit Bildung als wichtigster Ressource und wirtschaftspolitisch gewandelt von einer beim Bürger abkassierenden "Staatsbürokratie" zu einem schlanken Staat. Wobei Westerwelle unter "am Ende" keinesfalls das Ende der Legislatur versteht - man wolle schließlich "nicht nur vier Jahre regieren". Unterbrochen wurden diese staatspolitischen Visionen und koalitionsfreundlichen Schmeicheleien nur durch einige süffisante Bemerkungen Richtung SPD. Deren Kritik an der Regierung sei "Trauerarbeit" an der Wahlpleite, generell seien die Klagen über die schwarz-gelbe Steuerpolitik Ausdruck eines "dekadenten Staatsverständnisses". Über ein Jahrzehnt sei der Mittelstand geschröpft worden, das Land so von der Spitze der Industrienationen ins Mittelmaß zurückgefallen. Westerwelles geistig-politische Wende soll nun zu einer neuen "mentalen Standortfähigkeit" in einer "dynamischen, fairen und freien Gesellschaft" führen.

So also sehen sie aus, Westerwelles große Linien Richtung Zukunft. Bleibt noch, die "kleinen" Probleme der Gegenwart zu lösen. Nur an einer Stelle ließ er sich in diese Niederungen der Aktualität herab - als er deutlich machte, dass die Finanzpolitik der FDP nicht nur aus Steuersenkungen, sondern auch aus Einsparungen bestehen werde. Welche das sein könnten? Diese Antwort gab Westerwelle nicht. Er hätte sich im Gestrüpp der Tagespolitik verheddern können.