Der frühere Ministerpräsident erlebt den Machtverlust als Befreiung. Zum Jahrestag des Skiunfalls, bei dem eine Frau starb, geht der CDU-Politiker an die Öffentlichkeit: ausgerechnet auf Skiern.

Hamburg. Er zeigt sich wieder auf Skiern. Und das kurz vor dem Jahrestag seines Skiunfalls in der Steiermark, bei dem eine Frau starb. Dieter Althaus steht nicht auf den breiteren, schnelleren Abfahrt-Brettern. Der frühere Ministerpräsident von Thüringen fährt in diesem Winter nur Langlauf, wie er der "Bild"-Zeitung anvertraut hat. Althaus bleibt in seiner Heimat und schwärmt von der Ruhe am Rennsteig. "Das Skigebiet ist wunderbar", sagt er. Über Politik spricht er nicht, sondern präsentiert sich als Privatier.

Ruhe hat Althaus nun genug. Ein Jahr liegt hinter ihm, das sein Leben radikal verändert hat: Der privaten Katastrophe vom vergangenen Neujahrstag folgte der politische Niedergang. Gerade mit der Niederlage bei den Landtagswahlen in Thüringen am 30. August kann Althaus inzwischen gut leben. "Der Verlust des Amtes war einerseits ernüchternd, andererseits aber auch befreiend", sagte er kürzlich dem "Zeitmagazin". "Für mich begann damit eine neue Lebensphase, in der ich erkannte, dass man die Ziele, die man verfolgt, niemals absolut über die Dinge stellen sollte, die daneben auch noch wichtig sind", sagte der 51-Jährige weiter.

Althaus ist nur noch einfacher Abgeordneter und hat sich auch aus wichtigen Ehrenämtern zurückgezogen. Kraft zieht er aus seinem katholischen Glauben, wie er betont: "Der Besuch der Messe, das Beten, das Bitten um Vergebung hilft mir, mich auf Neues einlassen zu können, ohne tagtäglich mit der Belastung durch eine mögliche Schuld konfrontiert zu sein." Für seinen Neuanfang, körperlich, psychisch, vielleicht auch politisch, will er sich nun die Zeit nehmen, die er im vergangenen Jahr nicht hatte.

Ein Rückblick: Bei einer Kreuzung zweier Pisten auf der Riesneralm in der Obersteiermark prallt der 50-jährige Regierungschef auf Beata Christandl. Althaus trägt einen Helm, die Slowakin, Mutter von vier Kindern, trägt keinen. Kurze Zeit später stirbt sie an ihren Kopfverletzungen. Althaus erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma und wird vorübergehend in ein künstliches Koma versetzt.

Für den Regierungschef folgen Wochen der Regeneration, zuerst in Erfurt, dann in einer Klinik am Bodensee. Mehr als zwei Monate lässt er seine Partei im Unklaren, ob und wann er zurückkehren kann. Kurz nach dem Besuch seiner Eltern in der Klinik stirbt der Vater von Althaus. Auf dessen Beerdigung zeigt sich der CDU-Politiker erstmals in der Öffentlichkeit. Auf Beobachter macht er einen entkräfteten Eindruck. Im österreichischen Leben wird er währenddessen in einem Blitzverfahren wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 33 300 Euro und Schmerzensgeld an die Familie der getöteten Frau über 5000 Euro verurteilt. Daraufhin erklärt der Ministerpräsident - vom Krankenbett - sein Comeback: "Ich trete an."

Noch in der Rehaklinik habe er "von morgens bis abends" gearbeitet, sagt er zurückblickend. Seine Eltern und auch seine Frau hätten ihm damals deutlich gemacht, dass er zuerst darauf achten müsse, nicht nur körperlich, sondern auch innerlich zu genesen. "Heute würde ich ihrer Meinung mehr Raum geben."

Während des Wahlkampfs spricht Althaus viel über den Unfall und erklärt sich selbst für vollständig gesund. Immer mehr Kritiker werfen Althaus nun vor, das Unglück für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Bei der Landtagswahl am 30. August verliert Althaus mit seiner CDU fast zwölf Punkte und landet bei 31,2 Prozent. Nach Tagen des Nachdenkens tritt Althaus vom Amt des Regierungschefs und des CDU-Landeschefs zurück, erklärt jedoch kurz darauf, trotzdem weiter die Regierungsgeschäfte führen zu wollen. Damit reißt er seine Partei endgültig ins Chaos und fordert sie unfreiwillig zum Handeln auf. Vize-Parteivorsitzende Birgit Diezel bestellt Sozialministerin Christine Lieberknecht umgehend ein und nominiert sie zur neuen Parteichefin. Die 51 Jahre alte Pastorin Lieberknecht geht auf die SPD zu, den einzig möglichen Koalitionspartner, und kann sie für eine gemeinsame Regierung gewinnen.

Erst am 30. Oktober wird Althaus offiziell als Regierungschef von Lieberknecht abgelöst. Seitdem ist es still um ihn geworden. Die Ministerpräsidentin will aber nicht auf ihren Vorgänger, bei dem sie auch Rat sucht, verzichten. "Ich sehe viele Möglichkeiten für ihn, sich weiter mit seinen Fähigkeiten und seiner Erfahrung einzubringen", sagte Lieberknecht dem Abendblatt im Oktober. "Dieter Althaus sollte weiter Politik gestalten, zuerst natürlich im Landtag, aber warum nicht auch darüber hinaus."

Auch Althaus selbst spielt mit dem Gedanken an ein politisches Comeback: "Ich kann auf eine über 20 Jahre lange politische Erfahrung zurückgreifen", sagte er kürzlich. "Ich bin 51 Jahre alt, da liegt noch viel vor mir." Auf die Abfahrtsski will er sich erst im nächsten Winter wieder stellen.