Berlin. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg glaubt nicht an eine Demokratisierung Afghanistans nach westlichem Vorbild. "Ich bin schon länger zu der Überzeugung gelangt, dass Afghanistan gerade wegen seiner Geschichte und seiner Prägung sich nicht als Vorzeige-Demokratie nach unseren Maßstäben eignet", sagte er der "Bild am Sonntag".

Der CSU-Politiker zeigte sich gleichzeitig offen für eine Regierungsbeteiligung gemäßigter Taliban. Man könne in einem Land mit einer so großen regionalen Vielfalt nicht einen ganzen Volksstamm wie die Paschtunen außen vor lassen, wenn es um tragfähige Lösungen für die Zukunft gehe. "Gespräche und eine Einbindung dürfen freilich nicht ohne Bedingungen vorgenommen werden", betonte Guttenberg aber. "Inakzeptabel wäre der Gedanke etwa, wenn universell geltende Menschenrechte unmittelbar ausgehebelt würden."

Guttenberg räumte ein, dass er in der Vergangenheit zur Einbeziehung der Taliban eine gegenteilige Auffassung vertreten habe. "Wir müssen allerdings eine Vielzahl von auch steinigen Wegen beschreiten, um den momentanen Realitäten in Afghanistan gerecht zu werden", begründete er seinen Sinneswandel. Guttenberg plädierte auch dafür, dass die Regierung den Bürgern klar sagt, wann der Abzug aus Afghanistan beginnen soll. "Da sollten wir konkreter werden als bisher", sagte er. Er wandte sich aber gegen eine Festlegung, wann der Einsatz ganz beendet werden soll. "Damit würden wir beispielsweise den Kräften Vorschub leisten, die Afghanistan wieder zu einem Zentrum des weltweiten Terrorismus machen wollen", sagte er. Im Streit um den Luftangriff bei Kundus kündigte Guttenberg an, im Untersuchungsausschuss des Bundestages auch unter Eid auszusagen. Der Minister hatte den von einem deutschen Offizier angeordneten Luftangriff zunächst als angemessen bewertet, später seine Einschätzung jedoch revidiert und dies mit fehlenden Informationen begründet.

In Deutschland wie auch in anderen Nato-Staaten wird der Einsatz am Hindukusch immer unpopulärer. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, erklärte im "Tagesspiegel am Sonntag", sie könne den Afghanistan-Einsatz nicht nachvollziehen. Krieg zöge immer Unrecht und Gewalt nach sich. Die SPD will nach einem Bericht des "Spiegels" ihre Mitglieder über den weiteren Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan entscheiden lassen.