Wer von seiner Sucht loskommen will, soll sich künftig beim Hausarzt in ein Behandlungsprogramm eintragen lassen.

Hamburg/Berlin. Deutschlands Raucher sollen sich in Zukunft den blauen Dunst mithilfe ihrer Krankenkasse abgewöhnen. Nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) können die Kassen die Kosten erstatten, wenn die Raucher sich bei ihrem Hausarzt in Chronikerprogramme einschreiben (Disease Management Programme, DMP).

Hinter dem Kürzel "DMP COPD" haben Ärzte und Kassen in ihrem Gremium für den Leistungskatalog eine politische Bombe platziert. "Das Ministerium kann unseren Beschluss sofort als Rechtsverordnung in Kraft setzen", sagte der Sprecher des Gemeinsamen Bundesausschusses, Kai Fortelka, dem Abendblatt. "Es geht darum, den Rauchern zu helfen, von ihrer Sucht loszukommen." Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), sagte dem Abendblatt: "Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Zeit, daher sind Angebote zur Tabakentwöhnung ein wichtiger Baustein in der Prävention. Es muss aber dabei bleiben, dass die Aufgabe des Rauchens weiter in der Eigenverantwortung der Raucherinnen und Raucher liegt." Eine generelle Kostenübernahme für Arzneimittel zur Tabakentwöhnung lehnte sie ab.

Strukturierte Behandlungsprogramme gibt es bereits für Diabetes-Patienten, chronisch Herzkranke oder Brustkrebs-Patientinnen. Wer an einer dieser Krankheiten leidet, kann mit dem Hausarzt und seiner Kasse gemeinsam die Therapie und den Weg zu einer Gesundung besprechen. Die Kassen fördern diese Programme und belohnen die Versicherten bisweilen sogar mit günstigeren Tarifen oder der Erstattung der Praxisgebühr. Denn die Folgekosten wären für sie meist viel höher.

Der Bundesausschuss beschreibt, wer von den geschätzt 24 Millionen Rauchern in Deutschland für eine Entwöhnung infrage kommt. Auf Kosten der Allgemeinheit soll behandelt werden: Wer täglich hustet, das mindestens seit einem Jahr tut und mit reichlich Schleim im Mund; wer unter Atemnot leidet oder klare Folgeerscheinungen zeigt.

Behandlung heißt: erst mit Gesprächen, dann mit Medikamenten, Motivation und körperlichem Training. Die Ärzte sollen außerdem "prüfen, inwieweit ... Patienten von psychotherapeutischen und/oder psychiatrischen Behandlungen profitieren können". Wer zur Kippe greift, könnte auf der Couch landen.

"Jede Maßnahme, die den Menschen hilft, das Rauchen sein zu lassen, ist sinnvoll", sagte der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, dem Abendblatt. Montgomery sagte aber auch: "Ob die Kassen alles bezahlen müssen, muss politisch entschieden werden." Die Techniker Krankenkasse ist skeptisch: "Das widerspricht der geltenden Gesetzeslage, wonach die Kassen aus guten Gründen keine Lifestyle-Präparate bezahlen dürfen", sagte TK-Sprecherin Dorothee Meusch. Bislang steht der Paragraf 34 des Sozialgesetzbuches V einer Kassenleistung für Raucherentwöhnung entgegen.

Dort heißt es: Pillen gegen Impotenz, Zigarettensucht, zum Abnehmen oder für den Haarwuchs werden grundsätzlich nicht erstattet. Rauchen ist weitgehend Privatsache, seine Folgen auch - das ist das Credo des Gesetzgebers. Wenn Kassen und Ärzte das gemeinsam aufbrechen wollen, setzt das Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) unter Druck.

Der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Roland Jopp, sagte: "Was der Gemeinsame Bundesausschuss beschlossen hat, ist nur eine Empfehlung. Wenn die Vorschläge für die Asthma-Behandlung ebenfalls vorliegen, werden wir uns im nächsten Jahr damit beschäftigen."