Mit Aussagen von Überlebenden des Lagers Sobibor wurde der Prozess gegen John Demjanjuk fortgesetzt. Sein Anwalt wittert eine Verschwörung.

Als die Deutschen zu ihm sagten „Ihr geht zur Arbeit in den Osten“, glaubte Jules Schelvis ihnen. Er packte sogar seinen Rucksack und seine Gitarre ein. An die Druckerei, in der er zu der Zeit arbeitete, schrieb er im letzten Moment noch eine Karte: „Alles ok. Rachel und Jules Schelvis.“ Rachel war seine Frau. Sie und 17 weitere Mitglieder seiner Familie wurden im Vernichtungslager Sobibor vergast. Mehr als 20 weitere Verwandte seien in Auschwitz umgebracht worden.

Jules Schelvis hat Sobibor überlebt. Heute schilderte er seine Erlebnisse im Mordprozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk. Schelvis ist in dem Prozess einer der Nebenkläger. Demjanjuk ist angeklagt, von März bis September 1943 als Wachmann in Sobibor beim Mord an 27.900 Juden geholfen zu haben. Auch heute nahm Demjanjuk auf einem Bett liegend mit geschlossenen Augen an der Hauptverhandlung teil.

Nach Schelvis Aussagen seien mehr als 3.000 Bewohner des Amsterdamer Judenviertels am 26. Mai 1943 ins Zwischenlager Westerbork abtransportiert worden. Von dort seien sie am 1. Juni 1943 in Kolonnen zu einem Zug mit 50 Güterwaggons marschiert. Er selbst sei mit 61 weiteren Menschen und einem Kinderwagen in den letzten Waggon gepfercht worden. „Es war nicht genügend Platz da, um zu sitzen.“ Sie hätten sich auf der viertägigen Reise nach Ostpolen zusammengedrängt, damit die Alten und Kranken liegen konnten. In dem Güterwaggon seien nur ein Wasserfass und ein leeres Fass zum Verrichten der Notdurft gewesen. Doch selbst in dem Zug habe er noch geglaubt, „dass wir zur Arbeit deportiert werden“.

Demjanjuk bestreitet in Sobibor, als sogenannter Trawniki Handlanger der Nazis beim Massenmord gewesen zu sein. Sein Verteidiger Ulrich Busch beantragte erneut die sofortige Aussetzung des Verfahrens und warf den drei Berufsrichtern Befangenheit und Willkür vor. „Der Angeklagte ist Opfer eines internationalen Justizkomplotts“, sagte der Wahlverteidiger und kritisierte mit Blick auf das frühere israelische Todesurteil gegen Demjanjuk: „Unterlagen aus dem Sumpf des mutmaßlichen versuchten Justizmordes können nicht verwendet werden.“

Der Nebenkläger-Anwalt Cornelius Nestler sagte, Buschs Anträge erinnerten an ein immer wieder neu abgespieltes Tonband. Die von dem Verteidiger angefochtene Vernehmung von Kindern der Ermordeten sei notwendig, „weil die Opfer durch ihre Kinder eine Stimme bekommen haben“.