Kiel. Peter Harry Carstensen redet sich in Rage. Der Kieler Ministerpräsident erzählt begeistert, wie hart er Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) im Steuerstreit zusetzte und wie viele Kastanien er für die Länder aus dem Feuer holte. "Alle haben gewartet, wir Schleswig-Holsteiner haben gekämpft und sind immer noch dabei", berichtete er gestern stolz.

"So habe ich Carstensen noch nie erlebt", sagt FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Ähnlich geht es einem engen Mitarbeiter von Carstensen. Er ist überrascht, wie der bodenständige Landesvater, der sich um die Politik in Berlin kaum scherte, sich innerhalb weniger Tage an die Spitze der Steuerrebellion setzte und sich erstmals mit Merkel anlegte. Auf die Kanzlerin lässt Carstensen eigentlich nichts kommen. Sie hatte dem fröhlichen Friesen vor der Wahl 2005 die Haut gerettet und danach immer wieder den Rücken gestärkt.

Freiwillig zog Carstensen nicht in den Kampf. Die FDP, die seit September im Land wie im Bund mitregiert, war als Erstes darüber gestolpert, dass die Berliner Steuerpläne (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) Gift für Kiel sind. Sie kosten das Land 70 Millionen Euro und damit so viel, dass Schleswig-Holstein den vom Bund verordneten Sparkurs (Schuldenbremse) kaum einhalten kann. Den Aufstand gegen Berlin kündigte er eher nebenbei an. "Wir werden einem Gesetz, das uns belastet, nicht zustimmen", sagte er vor vier Wochen und bekam dafür so viel Applaus aus der eigenen CDU wie lange nicht mehr. "Carstensen hat in Berlin auf den Tisch gehauen und die Interessen des Landes vertreten", lobt Kiels Vize-Fraktionschef Hans-Jörn Arp. "Viele Menschen haben ihm das nicht zugetraut, weil er als harmoniesüchtig gilt."

Einmal in Fahrt kannte Carstensen kein Pardon. Beim Kamingespräch mit der Kanzlerin Ende November sorgte er für einen Eklat. Der Satz "Ihr habt sie doch nicht alle" sei zwar nicht gefallen, schmunzelt Carstensen. "Aber ich bin deutlich geworden." Intern gab es viel Lob aus anderen Ländern, öffentlich von den Regierungschefs fast nur Prügel. Carstensen habe das tief verletzt, heißt es in der Kieler Staatskanzlei. "Er schaltet dann meist auf stur." Das bekam am Wochenende auch Merkel zu spüren. Solche Heldengeschichten werden im Landeshaus auch verbreitet, weil die Steuerfehde Schleswig-Holstein bisher wenig einbrachte. Das Land muss zwar für neue Vorhaben aus Berlin im Bildungsbereich nicht so viel zahlen wie befürchtet, erhält für die Steuerausfälle aber nicht den erhofften Ausgleich. SPD, Grüne und SSW beklagen bereits, dass bei Carstensens Ausflug in die Bundespolitik außer Spesen nichts gewesen sei. Auch in der CDU grummelt es. Der Ministerpräsident schüttelt darüber den Kopf. Der Landesvater kann seine Schleswig-Holsteiner nicht mehr verstehen.