Gegen die Speicherung von Kommunikationsdaten gibt es die Rekordzahl von 34 339 Beschwerden.

Hamburg. Zwölf Umzugskartons haben vor fast genau zwei Jahren die Bürgerrechtler des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung mit Unterlagen für ihre Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angeschleppt. Ganze 34 339 Bürger wehren sich vor dem obersten deutschen Gericht gegen die sechsmonatige verdachtslose Speicherung von Telekommunikationsdaten. Eine bisher einmalige Menge. Morgen haben sie nun Gelegenheit in mündlicher Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht, ihre Ablehnung zu begründen.

Die Vertreter der Bundesregierung wiederum werden den Richtern des Ersten Senats darlegen, warum sie auf den Zugriff auf die Daten nicht verzichten will. "Hätten wir die Verbindungsdaten nicht gehabt, hätten wir bestimmte Fälle nicht aufdecken können", hat der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, erst vor einigen Tagen bei einer Tagung seines Hauses gesagt.

Eine wird allerdings für die Regierung nicht dabei sein: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie steckt im Zwiespalt zwischen offizieller Regierungslinie und eigener Position. Die FDP-Politikerin ist eine der Beschwerdeführerinnen gegen das Gesetz, das im November 2007 von ihrer SPD-Vorgängerin Brigitte Zypries mit verabschiedet wurde.

"Dass die Ministerin trotz ihres Amtes jetzt noch an ihrer Beschwerde festhält, ist beachtenswert", sagt der Bürgerrechtler Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Dort setzt man große Hoffnungen in die neue Justizministerin, die strikt für die Verteidigung der Bürgerrechte eintritt.

Bürgerrechtler, Rechtsanwälte, Ärzte, Journalisten und Politiker wollen mit ihren Beschwerden nicht hinnehmen, dass Polizei und Nachrichtendienste nachverfolgen können, wer mit wem wie lange und von wo aus telefoniert oder über das Internet kommuniziert hat. Bei Verdacht auf eine schwere Straftat können die Ermittler das mit richterlicher Genehmigung einsehen. Die Inhalte der Kommunikation werden dabei nicht abgerufen.

"Wir halten die Vorratsdatenspeicherung für eine unverhältnismäßige Form der Überwachung aller Bürger in der Europäischen Union und damit auch in Deutschland", sagte Steffens dem Abendblatt. Unverhältnismäßig deshalb, weil nicht nur die Daten von möglichen Straftäter gespeichert würden, sondern von allen Nutzern der Telekommunikation. Das berge auch das Risiko, dass die Daten missbraucht werden. Die Bürgerrechtler sehen die Gefahr, dass sich mit den Daten Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen lassen. "Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist derart verletzt, dass das Gesetz rundheraus abzulehnen ist", sagt Steffens.

Auch Medien- und Journalistenverbände wehren sich massiv. Sollte es das Bundesverfassungsgericht bestätigen, würde das Vertrauensverhältnis zwischen Journalisten und möglichen Informanten "mit bislang nicht gekannter Intensität" gestört, heißt es in einem Schreiben an Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, aus dem "Der Spiegel" zitiert. Es wird unter anderem vom Deutschen Journalisten-Verband, den Verbänden der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, der ARD, dem ZDF und dem Privatsenderverband VPRT mitgetragen.

Endgültig entscheiden wird das Gericht wohl im Januar. Einen kleinen Etappensieg haben die Beschwerdeführer aber schon vor eineinhalb Jahren erreicht. Damals verfügte das Bundesverfassungsgericht bis zur endgültigen Klärung, dass die Daten nur bei Verdacht auf schwere Straftaten abgerufen werden dürfen.