Hamburg. Knapp eine Million Rentner können nächstes Jahr mit Rückzahlungen vom Finanzamt rechnen. Durchschnittlich könnten sie 250 Euro pro Jahr betragen, wie die "WAZ" berichtet. Sie beruft sich auf ein Arbeitspapier von Spitzenbeamten aus den Finanzbehörden der Länder. So hätten Stichproben in Nordrhein-Westfalen ergeben, dass 22 Prozent ihre Steuererklärung falsch ausgefüllt haben, sagte Manfred Lehmann, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft NRW, der "WAZ". Rechnet man die Zahlen auf das Bundesgebiet hoch, wären 970 000 Rentner davon betroffen. In NRW habe die Hälfte zu viel gezahlt, die andere Hälfte zu wenig, so Lehmann. Viele müssen sich also auch auf Nachforderungen einstellen.

"Das Problem gibt es auch in Hamburg. Allerdings wissen wir noch nicht, in welchem Umfang, da bisher nur Stichproben gemacht wurden", sagte Daniel Stricker, Sprecher der Hamburgischen Finanzbehörde, dem Abendblatt. "Wir setzen uns deshalb seit Längerem dafür ein, dass das Prinzip der Antragsbesteuerung umgewandelt wird und Deutschland bei den Renten zu einer Quellenbesteuerung übergeht. Dann müssten die Rentner keine Formulare mehr ausfüllen und wir hätten die Sicherheit, dass alles richtig berechnet wurde."

Auch das Bundesfinanzministerium räumte ein, dass es noch Probleme bei der Rentenbesteuerung gebe. Diese seien aber vorübergehender Natur, sagte Ministeriumssprecher Michael Offer. Mit welchen Problemen die Rentner kämpfen, zeigten die Stichproben in NRW. Laut "WAZ" hätten viele ihre Kranken- und Pflegekassenbeiträge nicht angegeben, obwohl diese abzugsfähig seien. Andere hätten die gesetzliche Rente ins Feld für Betriebsrenten eingetragen. Sie könnten doppelt so hoch besteuert worden sein. Einige hätten erst gar keine Steuererklärung abgegeben. Sie müssen mit Nachforderungen rechnen. Hintergrund ist das Alterseinkünftegesetz: Seit 2005 werden Steuern nicht mehr auf die Rentenbeiträge, sondern auf die Bezüge erhoben. Steuerpflichtig sind meist nur diejenigen mit hohen Renten oder Einkommen aus Mieten, Kapitalerträgen und Betriebsrenten. Eine Steuererklärung müssen Rentner abgeben, wenn ihr gesamtes zu versteuerndes Einkommen den jährlichen Grundfreibetrag überschreitet. 2009 beträgt er für Alleinstehende 7834 Euro, für Verheiratete 15 668 Euro. Versäumnisse können nachvollzogen werden, weil seit 2005 alle Stellen, die Geld an Rentner auszahlen, die Finanzbehörden darüber informieren müssen. Immer wieder gab es Warnungen, dass diese Änderungen viele überfordern könnten. "Wir haben immer gesagt, dass die Informationspolitik der Regierung unzureichend ist", sagte Reiner Holznagel vom Bund der Steuerzahler dem Abendblatt. "Zudem sind die Steuerformulare zu kompliziert. Sie müssen vereinfacht werden." Ähnlich schätzt dies Rainer Strauch, Rechtsexperte beim Sozialverband VDK, ein. "Man müsste den Rentnern gezielte Hilfe anbieten, vielleicht direkt beim Finanzamt", sagte er dem Abendblatt. Das sei schwierig, weil es keine Steuerberatung im Einzelfall machen dürfe: "Aber wo sollen die Leute hingehen? Einen Steuerberater müssen sie bezahlen."