Minister will den Befehlshaber nicht fallen lassen. Abgeordnete für Verlängerung des Bundeswehreinsatzes.

Hamburg/Berlin. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wirkte angespannt. Immer wieder hatte er im Bundestag während der aufgeheizten Debatte über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes seine Rede überprüft, Notizen gemacht, Sätze gestrichen. Dann ging er zum Rednerpult und korrigierte seine eigene Bewertung, dass der von einem deutschen Oberst angeordnete verheerende Luftangriff am 4. September im afghanischen Kundus militärisch angemessen war:

"Obgleich Oberst Klein zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten gehandelt hat, war es aus heutiger objektiver Sicht im Lichte aller, auch mir damals vorenthaltener Dokumente militärisch nicht angemessen."

Guttenberg bedauerte seine Fehleinschätzung vom 6. November, als er das Bombardement nach Lektüre des Untersuchungsberichts der Nato als militärisch angemessen bezeichnet hatte. Nun seien jedoch neue Dokumente und Bewertungen aufgetaucht. "Diese weisen im Gesamtbild gegenüber dem Com-Isaf-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit von Fehlern und insbesondere von Alternativen hin", sagte er mit Verweis auf Unterlagen, die ihm beim Amtsantritt nicht vorgelegt worden waren. Sein Vorgänger Franz Josef Jung, der als Verteidigungsminister für die Vorgänge verantwortlich war, musste deshalb von seinem neuen Posten als Arbeitsminister zurücktreten.

Guttenberg betonte, dass er volles Verständnis für Klein habe. Er sei angesichts ständiger Gefechte in der Region Kundus, "in der kriegsähnliche Zustände herrschen", subjektiv sicher davon ausgegangen, dass sein Vorgehen militärisch angemessen war. Daher werde er Klein auch nicht fallen lassen. "Es würde sich nicht gehören", sagte Guttenberg und fügte hinzu: "Jeder, der jetzt aus der Distanz, leise oder laut, Kritik übt, sollte sich selbst prüfen, wie man in dieser Situation gehandelt hätte."

Kanzlerin Angela Merkel hatte im Namen Deutschlands die Verantwortung für die zivilen Opfer des Luftangriffs auf zwei von den Taliban entführte Tanklaster übernommen. Ein Untersuchungsausschuss soll nun klären, wann die Bundesregierung über die toten Zivilisten informiert war.

Wie viele Menschen umkamen, ist unklar. Eine Untersuchung der afghanischen Regierung ergab, dass 59 Taliban und 30 Zivilisten starben. Der geheime Nato-Bericht spricht von bis zu 142 Toten insgesamt.

Der Bundestag verlängerte zudem den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan - aber vorerst ohne eine Aufstockung der deutschen Truppen. Die Zustimmung blieb mit 445 Ja- und 105 Nein-Stimmen etwa gleich groß wie vor einem Jahr. 43 Parlamentarier enthielten sich. Damit bleibt die Bundeswehr das neunte Jahr in Folge in Afghanistan. Über eine Erhöhung der Mandatsobergrenze von 4500 Soldaten will die Regierung erst nach der Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London entscheiden.

Eine Aufstockung der deutschen Truppen gilt als wahrscheinlich, da das Mandat zuletzt wieder knapp wurde. Derzeit sind rund 4400 deutsche Soldaten am Hindukusch im Einsatz. Mitte Januar will Guttenberg das Feldlager Kundus um eine weitere Kampfkompanie mit etwa 120 Soldaten verstärken.

Außenminister Guido Westerwelle erneuerte im Bundestag das deutsche Angebot, sich stärker als bisher in der seit Jahren schleppenden Polizeiausbildung zu engagieren. Über Truppenzahlen solle dagegen erst diskutiert werden, wenn die internationale Gemeinschaft Ziele und Strategie in Afghanistan überprüft habe. Noch in dieser Legislaturperiode müsse eine Abzugsperspektive geschaffen werden.