Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Namen Deutschlands die Verantwortung für die zivilen Opfer des umstrittenen Luftangriffs bei Kundus übernommen. Sie bedauere, dass als Folge deutschen Handelns zivile Opfer zu beklagen seien, sagte Merkel gestern in Berlin. Deutschland übernehme dafür die Verantwortung. Die Vorgänge müssten nun lückenlos aufgeklärt werden. Das Kanzleramt, das Verteidigungs- und das Außenministerium bewerteten den Fall derzeit neu.

Falls die Bundeswehr die Regeln der Nato-Truppe Isaf bei der Anordnung des Luftangriffs mit bis zu 142 Toten nicht eingehalten haben sollte, werde die Bundesregierung daraus Konsequenzen ziehen.

Merkel bekannte sich damit so deutlich wie nie zuvor zur deutschen Verantwortung für die zivilen Opfer des Bombardements Anfang September in der Endphase des Bundestagswahlkampfes. In ihrer Regierungserklärung am 8. September hatte sie zivile Opfer zwar bedauert, dafür aber nicht die Verantwortung übernommen. "Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch ist einer zu viel. Wir trauern um jeden Einzelnen", sagte sie vier Tage nach dem Luftangriff, ohne konkret auf die Toten des Bombardements von Kundus einzugehen. Stattdessen griff sie die Nato-Verbündeten scharf an, die Deutschland wegen des Angriffs rasch an den Pranger gestellt hatten.

Es sei richtig gewesen, dass sie sich in ihrer Regierungserklärung solche Vorverurteilungen verbeten habe, betonte Merkel. Damals sei noch nicht völlig klar gewesen, ob zivile Opfer zu beklagen seien. Merkel ließ offen, ob Deutschland zivile Opfer und Angehörige entschädigen wird. In der Vergangenheit war dies allerdings stets geschehen - etwa, wenn deutsche Soldaten afghanische Zivilisten erschossen, weil sie sich angegriffen fühlten.

Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung war am Freitag zurückgetreten, weil sein Haus im Wahlkampf Informationen über die Folgen des Angriffs verheimlicht hatte. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat sich für einen Untersuchungsausschuss zur restlosen Aufklärung der Informationsströme nach dem Luftangriff ausgesprochen. Das sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich gestern in Berlin. Guttenberg habe aber noch nicht präzisiert, ob die Aufklärung im Verteidigungsausschuss oder in einem regulären Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorgenommen werden soll.