Abendblatt:

Was denken Sie über das Minarettverbot in der Schweiz?

Necla Kelek:

Die Schweiz hat sich gegen Minarette, nicht gegen Religionsfreiheit entschieden. Es gibt 400 000 Muslime in der Schweiz, die ohne Beschränkung ihren Glauben leben können. Die Islamisierung Europas durch die Muslimbrüder Ramadan ging von Genf, vom Schweizer Boden, aus.

Hat Sie das Ergebnis der Volksabstimmung überrascht?

Ja, weil alle Prognosen dagegen sprachen. Ich war darüber erschrocken, dass die Bürger sich nicht mal trauten, offen darüber zu reden. Die bürgerlichen Parteien müssen die Bürger endlich ernst nehmen, damit die Rechten nicht populistisch das Thema besetzen.

Ist das Verbot Beleg für eine wachsende Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz?

Ich habe die Schweiz immer als weltoffen, aber auch als eigen erlebt. Die Schweizer sind bedächtig, lassen sich aber nicht vorführen. Wie der Muslim Gaddafi (Libyens Staatschef, d. Red. )die Schweizer vor aller Welt gedemütigt hat, weil sie seinen Sohn wegen Misshandlung einer Angestellten zur Verantwortung ziehen wollten, hat die Schweizer sehr irritiert. Manche haben die Faust in der Tasche geballt.

In der Schweiz haben 57 Prozent der Wähler für das Verbot gestimmt. Wie wäre eine solche Volksabstimmung in Deutschland ausgegangen?

Ähnlich. Ich habe in diesem Jahr über 50 Veranstaltungen gemacht und über Islam und Integration gesprochen. Die Veranstaltungen sind immer voll, die Menschen sind in Sorge und fühlen sich von den Politikern und Medien im Stich gelassen. Sie sehen die Probleme im Alltag und suchen Antworten.

Welche Bedeutung haben die Minarette für die Muslime?

Sie sind wie das Kopftuch oder das öffentliche Beten eine Machtdemonstration. Die ersten Minarette waren die Türme von eroberten Kirchen, später wie in Konstantinopel wurden um die eroberte Hagia Sophia Minarette gebaut.

Und ist es angemessen, solche in Deutschland, in Europa zu bauen?

Moscheen können gerne gebaut werden, aber nicht als Geschäftszentren, sondern als sakrale Räume, und der Ort muss die Aufklärung repräsentieren, und nicht das 7. Jahrhundert in Medina. Eine Gebetsstätte sollte aufgeklärte Menschen, freie Bürger aufnehmen und keine geschlossene Gesellschaften, aus denen womöglich Parallelgesellschaften entstehen.

Welchen Anteil haben die in der Schweiz lebenden Muslime an der Situation? Haben sie vielleicht mit ihrem Verhalten auch diese negative Abstimmung beeinflusst?

Wir müssen genau hinschauen, denn der Islam und seine Wächter und Repräsentanten sind nicht in der Demokratie angekommen, nach wie vor ist der Islam nicht nur Glaube, sondern auch Kultur und Politik. Und wir müssen die Praxis und die Ziele des politischen Islam hinterfragen. Woher haben die islamischen Zentren das Geld? Wer tritt da auf? Als säkulare Muslimin verteidige ich Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung. Und ich will, dass auch die Muslime selbst, Intellektuelle, Schriftsteller einen Schritt zur aufgeklärten Gesellschaft unternehmen. Der politische Islam ist dazu nicht fähig und willig.