Berlin/Hamburg. Nach dem Rücktritt von Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) hält die Opposition an ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss fest. "Der Rücktritt ist folgerichtig, aber er klärt noch keine der offenen Fragen", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier dem Hamburger Abendblatt. "Hier geht es um mehr als nur das persönliche Fehlverhalten einzelner Personen, hier geht es um eine grundsätzliche Frage der parlamentarischen Demokratie. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben ein Anrecht auf Klärung, und deswegen ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses weiterhin unbedingt notwendig."

Steinmeier betonte: "Es ist die Lehre aus unserer Geschichte, dass in unserer Verfassung steht: kein Kanzler, kein Minister, kein General kann allein darüber entscheiden, was unsere Bundeswehr tut. Die letzte Entscheidung liegt bei den gewählten Volksvertretern. Deswegen ist es ein grundlegendes Recht des Parlaments, vollständig und wahrheitsgemäß informiert zu werden. Dieses Recht ist offenbar mit Füßen getreten worden."

Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Renate Künast und Jürgen Trittin, begrüßten den Rücktritt des früheren Verteidigungsministers und erklärten: "Wir wollen, dass diese Vorgänge lückenlos aufgeklärt werden und der Verteidigungsausschuss sich als Untersuchungsausschuss konstituiert." Ein Untersuchungsausschuss muss eingesetzt werden, wenn dies ein Viertel der Bundestagsmitglieder fordert. Vor dem Rückzug Jungs hatte der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, und Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert entlassen. Grund war die Vertuschung eines Berichts über den verheerenden Luftangriff auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan. Aus dem Bericht eines Oberstleutnants war hervorgegangen, dass bei dem von der Bundeswehr angeforderten Bombardement im September neben radikalislamischen Taliban auch zahlreiche Zivilisten getötet wurden.

Politiker von Union und FDP würdigten die Entscheidung Jungs. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) äußerte sich betroffen: "Die Ereignisse der letzten 36 Stunden und insbesondere der Amtsverzicht meines Freundes Franz Josef Jung gehen mir auch persönlich sehr nahe." Jung habe sich zu einem "außerordentlich respektablen Schritt" entschlossen. Der bisherige Arbeitsminister gilt als enger Vertrauter Kochs. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte dem Abendblatt: "Ich habe Franz Josef Jung persönlich immer als integren und aufrichtigen Menschen erlebt. Dass er mit seinem Rücktritt politische Verantwortung übernimmt, ist zu akzeptieren und verdient unseren Respekt."

Außenminister Guido Westerwelle bescheinigte Jung "faire Kollegialität" im Kabinett. Die Diskussion um den Luftangriff und die Folgen ändere nichts daran, so der FDP-Vorsitzende, "dass der deutsche Einsatz in Afghanistan zur Stärkung unserer eigenen Sicherheit nötig ist und bleibt".

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, griff indes Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. "Die Kanzlerin muss sich fragen lassen, warum es erst erheblichen Druck der Opposition und der Öffentlichkeit bedurfte, bis in ihrem Kabinett politische Verantwortung für diesen schwerwiegenden Vertuschungsversuch übernommen wurde", sagte Gregor Gysi in Berlin.