Berlin/Hannover. Der Deutsche Ethikrat hat sich für die Schließung von Babyklappen ausgesprochen. Auch Angebote zur anonymen Geburt sollten aufgegeben werden, weil das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzt werde, heißt es in einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme mit dem Titel „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“. Die Kirchenvertreter in dem Gremium trugen die Empfehlung nicht mit. Die Kinderschutzorganisation „terre des hommes“ begrüßte das Votum. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Margot Käßmann, will an Babykörbchen festhalten.

Babyklappen sind geschützte Wärmebettchen, in die Frauen anonym ihr Neugeborenes legen und zur Adoption freigeben können. Derzeit gibt es bundesweit knapp 80 Babyklappen, die meisten davon in kirchlicher Trägerschaft. Daneben werden in rund 130 Krankenhäusern anonyme Entbindungen angeboten. Dabei gibt die Frau ihre Identität nicht preis. Die Angebote anonymer Kindesabgabe seien ethisch und rechtlich sehr problematisch, heißt es in der Stellungnahme. „Sie sind rechtswidrig“, erläuterte die stellvertretende Ethikrat-Vorsitzende Christiane Woopen. Die bisherigen Erfahrungen legten zudem nahe, dass Frauen, die ihr Kind töten wollen, durch die Angebote nicht erreicht würden. Die Zahl der getöteten Kinder sei im gleichen Zeitraum nicht signifikant zurückgegangen.

Als Alternative schlägt der Ethikrat vor, die legalen Hilfsangebote für schwangere Frauen in Notsituationen zu verbessern und bekannter zu machen. Zudem solle ein Gesetz zu einer „vertraulichen Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung“ beschlossen werden. Dabei wird der Frau zugesichert, dass ihre Daten ein Jahr lang ab Geburt des Kindes nur der Beratungsstelle und nicht den Meldebehörden mitgeteilt werden. Der Empfehlung des Gremiums schlossen sich sechs Mitglieder nicht an, darunter die beiden Vertreter der katholischen Kirche. Sie unterzeichneten das Sondervotum. Darin werden Babyklappen und Angebote anonymer Entbindungen als „letzter Ausweg“ betrachtet, um Frauen zu erreichen, die sonst möglicherweise ihr Kind unversorgt aussetzen würden.

Die Juristin und frühere Vorsitzende des Vorgänger-Gremiums, des Nationalen Ethikrats, Kristiane Weber-Hassemer, verwies darauf, dass die Datenlage „flau und nicht verlässlich“ sei. Deshalb solle die derzeitige Praxis der anonymen Kindesabgabe geduldet werden. Aus ähnlichen Motiven enthielten sich die beiden Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der Stimme. Die EKD-Ratsvorsitzende und hannoversche Landesbischöfin Käßmann sagte vor der Landessynode in Hannover, sie plädiere außerdem weiterhin für die Möglichkeit der anonymen Geburt. Unerlässlich sei jedoch, dass sowohl Babykörbchen als auch anonyme Geburt in ein Netzwerk von weiteren Hilfen für Mütter in Not eingebunden seien.

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sprach sich dagegen aus, die Angebote der anonymen Geburt einzustellen. „Sie helfen, das Leben von Kindern zu retten, bieten Frauen einen geschützten Raum für die Entbindung und tragen in vielen Fällen dazu bei, dass die Mütter sich nach der Geburt für ein Leben mit ihrem Kind entscheiden“, sagte ZdK-Präsident Alois Glück in Bonn. Die Kinderschutzorganisation „terre des hommes“ begrüßte das Votum des Ethikrates als „Schritt in die richtige Richtung“. Mit seinem Vorschlag der vertraulichen Geburt könne terre des hommes „sehr gut leben“, sagte Adoptionsexperte Bernd Wacker dem EPD. „Babyklappen sollten umgehend geschlossen und die Werbung für anonyme Geburten im Krankenhaus verboten werden“, forderte der Fachmann. Legale Hilfs- und Beratungsangebote für Schwangere in Notlagen sollten besser bekannt gemacht werden.

Für Notfälle solle die anonyme Geburt auch weiterhin gewährt werden, sagte Monika Lazar, Sprecherin für Frauenpolitik der Bundestagsfraktion der Grünen. Die Bundesregierung sei „aufgefordert, hier endlich rechtliche Regelungen zu schaffen“. Für die Linken-Fraktion sagte Petra Sitte: „Es gibt kein klares Ja oder Nein bei der Beurteilung der Frage, ob die Angebote der anonymen Kindesabgabe aufzugeben sind.“ Die vertrauliche Geburt könne „ein geeigneter Schritt zur Lösung der widerstreitenden Interessen sein“, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.