Die umstrittene Online-Durchsuchung soll bestehen bleiben. Weitere Gesetze sind weder geplant noch ausgeschlossen.

Wiesbaden. Ein besseres Forum konnte Bundesinnenminister Thomas de Maizière sich gar nicht wünschen. Nur vier Wochen nach seiner Amtseinführung saßen gestern bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden mehr als 400 Sicherheitsexperten aus 21 Ländern - vor allem aber aus bundesdeutschen Innenministerien, den Verfassungsschutzämtern, dem Bundesnachrichtendienst, den Polizeibehörden und dem Zoll -, um von ihm zu hören, wie die Sicherheitspolitik der Zukunft aussehen wird.

Ein "Sehr geehrter Herr Minister, jetzt sind wir ganz gespannt", konnte BKA-Präsident Jörg Ziercke sich denn am Ende seiner Eröffnungsworte auch nicht verkneifen. Schließlich hatte de Maizière in den letzten Wochen deutlich gemacht, was bei den Sicherheitsbehörden durchaus auf Skepsis stieß: Ein "Weiter so" immer neuer Sicherheitsgesetze zur Terrorabwehr soll es trotz weiterhin erhöhter Terrorgefährdung nicht geben. Der Begriff innerer Frieden ist dem CDU-Politiker sympathischer als der der inneren Sicherheit.

Nach den fordernden, manchmal nahezu aggressiven Tönen seiner Vorgänger Otto Schily (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) hört sich dies leiser an. Hier ist ein Bedächtiger unterwegs, einer, der vermeintliche Sicherheitslücken aushalten muss - und will. Trotz der massivsten Propaganda-Offensive, mit der die Terrororganisation al-Qaida Deutschland rund um die Bundestagswahlen überzogen hat, präsentierte de Maizière nicht gleich einen neuen Forderungskatalog, wies nicht auf mögliche Anschläge rund um die Entscheidung des Bundestags zur Verlängerung des Afghanistan-Mandats Anfang Dezember hin.

Der von ihm gestern hoch gelobte Vorgänger Schäuble hatte nach seinem Antritt schnell seine Vorliebe für einen stärkeren Einsatz der Bundeswehr im Inneren deutlich gemacht. Schäuble sinnierte darüber, ob man mutmaßliche Terroristen, die sich noch nicht strafbar gemacht hatten, wie Kriegsgefangene internieren oder im Ernstfall sogar gezielt töten könnte.

Ganz anders de Maizière. "Ich wiederhole gern noch einmal, was ich im Bundestag gesagt habe: Wenn es nötig ist, neue Gesetze zu erlassen, dann sollten wir das tun. Wenn nicht, sollen wir es lassen", sagte er. Aber aufzuzeigen, was nötig ist, das liegt nun in seiner Hand. Und da stellte er gleich ein paar Dinge klar, die gerade beim BKA für sichtliche Erleichterung sorgten. "Die Polizei soll bekommen, was sie für ihre Arbeit braucht", sagte der 55-Jährige und dankte den BKA-Beamten für ihre professionelle Arbeit, "die unser Land sicherer macht".

Er sicherte außerdem zu: "Die Neuregelungen des BKA-Gesetzes bleiben in allen wichtigen Punkten bestehen." Dazu zählt auch die umstrittene Online-Durchsuchung, die der FDP ein Dorn im Auge ist. Aber auch wenn es vielleicht nur wenige Anwendungen von Online-Durchsuchung oder Lauschangriff gibt, solle das nicht etwa heißen, dass das Instrument nicht doch gebraucht werde, fügte de Maizière hinzu. In der Vergangenheit sei bei der Terrorbekämpfung vieles Notwendige getan worden und nichts, was des Guten zu viel gewesen wäre. De Maizière steht nun für Augenmaß und Verhältnismäßigkeit.

Von Otto Schily erzählte man sich damals etwas hämisch, er sei nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 durch die Gänge seines Ministeriums gegangen und habe laut gerufen: "Welche Gesetze braucht ihr noch?" De Maizière wird wohl eher rufen: "Brauchen wir die Gesetze wirklich?" Die Zeit der Hardliner ist vorbei.

Damit das auch in den oberen Etagen der Sicherheitsbehörden gleich richtig verstanden wird, hat de Maizière nicht lange gefackelt und den Innenstaatssekretär August Hanning als anerkannten Terrorexperten vor die Tür gesetzt. Die beiden konnten noch nie miteinander. Doch de Maizière wollte wohl auch ein Zeichen setzen, sonst hätte er mit der Versetzung des 63 Jahre alten Hanning in den einstweiligen Ruhestand noch ein wenig gewartet. Hanning, ehemals Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), gilt als Architekt der neuen Sicherheitsarchitektur Deutschlands.

Diese Entscheidung wollte der Minister auch gestern nicht begründen. Den versammelten Sicherheitsexperten aber rief er zu: "Ich zähle auf Sie, und sie können auf mich zählen."