Der Vertrauensvorschuss für Sigmar Gabriel ist mit 94,2 Prozent groß. Ungefähr so groß wie die Not der Sozialdemokraten.

Sie erwarten von ihrem neuen Vorsitzenden wieder bessere Zeiten, neue Konzepte und einen anderen Umgang miteinander. In Dresden wurde am Freitag damit begonnen.

Mit der Analyse der Wahlschlappe und der offenen Kritik am eigenen Regierungshandeln und dem eigenen Verhalten in den vergangenen Jahren ist die SPD weiter als andere Parteien, die bei der Bundestagswahl auch Verluste hinnehmen mussten und deren Mitgliedern schon nach der Wahl 2005 eine Tiefenprüfung des eigenen Tuns versprochen wurde. Die Unionsmitglieder warten bis heute auf ein klärendes Gespräch.

Die Genossen durften dagegen Dampf ablassen - über elf Jahre Absolutismus, Agendapolitik, Rente mit 67, Mehrwertsteuererhöhung und alles, was die sozialdemokratische Seele sonst noch bedrückt. Und was sich die meisten öffentlich nicht getraut haben auszusprechen, solange die Partei noch an der Macht im Bund beteiligt war und es noch Posten zu verteilen gab.

Doch die Analyse ist nur die eine Seite der Medaille, konkrete Schlussfolgerungen sind die andere, die wesentlich schwierigere. Die Linkspartei ist mittlerweile etabliert. Mit ihr zusammengehen kann die SPD weiter schwächen. Sie weiter links liegen lassen bringt auch keine Wähler zurück. Sigmar Gabriel hat den Kampf um die Mitte proklamiert. Doch da drängeln sich bereits eine sozialdemokratisierte Union, grüne Liberale und verbürgerlichte Grüne. Da muss der neuen Parteispitze noch allerhand Originelles und Begeisterndes einfallen, will sie die Partei eines Tages zurück auf die Erfolgsspur führen. Dresden ist deshalb nicht das Ende des Wandels in der SPD, sondern erst der zarte Anfang der Neuorientierung. Der Ausgang bleibt durchaus ungewiss, weil die Aufgaben, die auf die neue Spitze warten, der Quadratur des Kreises gleichen. Nach dem Blick in den Abgrund, den sich die Traditionspartei gegönnt hat, bleibt aber keine andere Wahl, als das Unmögliche zu versuchen.