Kanzlerin Merkel will ihren CDU-Kollegen zum Industriekommissar und damit zum Nachfolger Verheugens machen.

Brüssel. Das ist keine Lustreise. Kein Besuch von Manneken Piss, keine Schokolade von Neuhaus. Günther Oettinger (CDU), der designierte deutsche EU-Kommissar, wird heute in Brüssels Europaviertel unterwegs sein. Er wird im Stundentakt Spitzenleute aus der Europäischen Kommission, hohe Beamte und Abgeordnete treffen. Es ist eine geheime Mission. Für Oettinger geht es um viel. Der Endspurt im Verteilungskampf um Europas Spitzenposten wurde eingeläutet. Spätestens im Februar 2010 wird Baden-Württembergs Ministerpräsident sein neues Amt in Brüssel antreten. Er will dann gestalten und auf keinen Fall auf einem Abschiebebahnhof landen. Dazu braucht Oettinger einen wichtigen Kommissarsposten - und exzellente Berater in seinem Kabinett, die ihn durch den Brüsseler Dschungel lotsen. Ein EU-Amateur wie Oettinger - das ist ein gefundenes Fressen für das Brüsseler Establishment.

Um nicht völlig auf sich allein gestellt zu sein, wenn er sein Amt antritt, sucht der Schwabe jetzt händeringend Berater. Er hat schon unzählige Kabinetts-Listen in der Hosentasche, Empfehlungen von Parteifreunden über die angeblich besten Leute. Aber wem kann Oettinger auf dem glitschigen Brüsseler Parkett trauen?

Hinzu kommt, dass er selber noch nicht genau weiß, was er überhaupt will. Soll er Industriekommissar oder Energiekommissar werden? Der Unionspolitiker würde gerne für Wirtschaft und Währung zuständig sein. Er könnte dann versuchen, den Stabilitätspakt, der angesichts der Wirtschaftskrise wie ein Bröselkuchen zerfällt, zu retten. Aber für das schwierige Amt ist bereits der Spanier und bisherige EU-Währungskommissar Joaquin Almunia gesetzt. Oettinger wird in diesen Tagen erneut mit EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso sprechen.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkle (CDU) ist die Sache klar: Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" will die Kanzlerin "den lieben Günther" zum Industriekommissar und damit zum Nachfolger von Günter Verheugen (SPD) machen. Aber was soll Oettinger damit? Der Industriekommissar darf in Brüssel überall mitreden - aber entscheiden tun andere. Hinzu kommt, dass eine der bisher wichtigsten Aufgaben des Industriekommissars, der Bürokratieabbau, zukünftig Chefsache sein wird: Kommissionschef Barroso übernimmt den Job. Merkel will dem Industriekommissar aber offenbar neue Kompetenzen in Forschungsfragen zuschanzen. Ob das dem neuen EU-Kommissar Oettinger reichen wird? Einflussreiche Kreise der deutschen Wirtschaft drängen ihn, Energiekommissar zu werden. "Da gibt es aber ungefähr 15 Bewerber", sagt ein hoher EU-Beamter. Barroso wird das Postengeschacher in drei Wochen entscheiden. Es ist ein großes Puzzle, alles muss irgendwie passen. Die Zeit drängt für Oettinger. Er muss jetzt zu Barroso zum Schaulaufen - und "bella figura" machen.