120 weitere Soldaten sollen anrücken. Auch Kanzlerin Angela Merkel spricht von “kriegsähnlichen Zuständen“.

Hamburg. Kaum war Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) aus Kabul abgereist, bestätigte die Wirklichkeit die deutlichen Worte des Verteidigungsministers, der von "kriegsähnlichen Zuständen" in Afghanistan gesprochen hatte. Ein Selbstmordattentäter zündete vor Camp Phoenix, einem wichtigen Lager westlicher Truppen, seinen Sprengsatz. 22 Menschen wurden verletzt. Am zweiten Tag seiner Reise besuchte zu Guttenberg dann Kundus, den gefährlichsten Ort des Einsatzgebietes der Bundeswehr. Angesichts der verschärften Sicherheitslage versprach er dort eine Truppenaufstockung.

120 weitere Soldaten sollen Mitte Januar in der nordafghanischen Unruheregion eintreffen - zusammen mit vier Marder-Schützenpanzern und 18 Dingo-Transportfahrzeugen. Bereits im Sommer hatte die Bundeswehr in Kundus um Verstärkung gebeten. Die neue Einsatzkompanie soll die 450 Eingreifkräfte unterstützen - das sind jene Soldaten, die im Ernstfall außerhalb der Lagermauern mit den Taliban kämpfen.

Mit den neuen Soldaten ist das Mandat des Bundestages für die Afghanistan-Mission mit der Obergrenze von 4500 Soldaten dann voll ausgeschöpft. In Kundus sind derzeit rund 1100 Soldaten stationiert, davon 1000 Deutsche und 100 Belgier. Das Mandat des Bundestages gilt zwar nur bis zum 13. Dezember, die Bundesregierung wird aber voraussichtlich kommende Woche eine Verlängerung empfehlen, der der Bundestag aber noch zustimmen muss.

Zu Guttenberg wollte sich mit seinem nicht angekündigten Besuch als erstes Regierungsmitglied ein Bild von der Lage in der Region machen. Dort hatte Bundeswehroberst Georg Klein am 4. September einen Luftangriff der Nato auf zwei von den Taliban gekaperte Lastwagen angeordnet. 142 Menschen kamen ums Leben. Guttenberg hatte sich anschließen öffentlich hinter Oberst Klein gestellt - und auch damit ein klares Bekenntnis zu den Soldaten und ihrem Einsatz abgelegt. "Hier ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen", sagte er am Freitag vor seiner Rückreise nach Berlin.

Mit seiner Haltung grenzt sich der Freiherr für die Soldaten wohltuend von seinem Vorgänger Franz Josef Jung ab, der den Einsatz stets als "Stabilisierung- und Wiederaufbaumission" bezeichnet hatte. Die deutschen Soldaten fühlen sich von ihrem neuen Oberbefehlshaber verstanden. "Wenn er die Lage als kriegsähnlich beschreibt, dann trifft er den Kern", sagte ein Offizier.

Bereits zuvor war der Verteidigungsminister im nordafghanischen Masar-i-Scharif wie ein Popstar empfangen worden. Unentwegt baten Soldaten um ein Foto mit dem Minister. Oder um ein Autogramm. Und alle wollen ihm die Hand schütteln. "Man hat das Gefühl, da ist einer, der hat sich auf das Amt gefreut, der macht das mit Herzblut", sagte ein 29-jähriger Soldat.

Tatsächlich sprach zu Guttenberg in einer kurzen Rede davon, dass sein neues Amt für ihn ein "Herzensanliegen" sei. Auch im Soldatenberuf ging es nicht nur darum, "kühl dem Soldatentum als solchem nachzugehen". Emotionen spielten eine große Rolle. Der deutschen Bevölkerung müsse vermittelt werden, dass Soldaten ihren Beruf "mit hoher Professionalität, aber auch mit Herz reißen". Die Soldaten seien Botschafter des Landes, sagte der Minister und betonte: "Ich glaube, dass unser gemeinsames Vaterland auf Sie stolz sein kann. Ich bin es zumindest."

Rückendeckung bekam zu Guttenberg von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Ich teile die Meinung von Verteidigungsminister zu Guttenberg, dass aus der Sicht unserer Soldaten kriegsähnliche Zustände in Teilen Afghanistans herrschen, auch wenn der Begriff Krieg aus dem klassischen Völkerrecht auf die jetzige Situation nicht zutrifft", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Kanzlerin warb zugleich für eine neue Afghanistan-Konferenz Anfang 2010. Dort müsse eine Perspektive festgelegt werden, bis wann die afghanische Regierung selbst für die Sicherheit im Land sorgen könne. Davon hingen die weitere Strategie der internationalen Gemeinschaft und auch die Zukunft des Einsatzes deutscher Soldaten am Hindukusch ab.