Berlin. Der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow hat eine engere Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Russland gefordert. "Eine Angst ist noch zu spüren", auch wenn die Beziehungen gut seien, sagte Gorbatschow gestern in Berlin. Er sprach sich für eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur aus.

Der 78-Jährige eröffnete eine Konferenz mehrerer Friedensnobelpreisträger anlässlich des 20. Jahrestags des Mauerfalls in Berlin. Unter der Überschrift "Neue Mauern niederreißen für eine Welt ohne Gewalt" diskutieren sie bis zum heutigen Mittwoch auch über Wirtschafts- und Umweltthemen. Die schottische Sängerin Annie Lennox soll in diesem Rahmen mit einem Preis für ihren Einsatz gegen Aids in Afrika ausgezeichnet werden.

Angst vor Russland sei "einfach Quatsch", sagte Gorbatschow. Sein Land brauche die Zusammenarbeit. "Die EU ist sich noch nicht im Klaren darüber, mit welchem Russland sie es zu tun haben will", sagte der Friedensnobelpreisträger. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso antwortete: "Wir wünschen uns ein stabiles und starkes, in Wohlstand lebendes Russland auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit." Die EU sei dem Land "in tiefem Respekt" verbunden.

Zu den 18 teilnehmenden Nobelpreisträgern zählen Polens Ex-Präsident Lech Walesa, der frühere Präsident Südafrikas, Frederik Willem de Klerk, und der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus aus Bangladesch. Heute soll eine "Charta für eine Welt ohne Gewalt" vorgestellt werden. Sie fordert die Stärkung internationaler Organisationen, besonders der Vereinten Nationen.

Gorbatschow und die übrigen Unterzeichner sprechen sich gegen Atom- und andere Massenvernichtungswaffen aus, aber auch gegen Gewalt in Familien und für den Schutz der Umwelt. Sie mahnen zudem: "Der Kampf gegen den Terrorismus rechtfertigt nicht die Verletzung von Menschenrechten." Der Gipfel der Friedensnobelpreisträger fand unter Schirmherrschaft der Gorbatschow-Stiftung statt.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte in seiner Begrüßung die Nobelpreisträger als "Bannerträger eines friedlichen Zusammenlebens der Menschheit" auf, ihre ganze moralische Autorität in die Waagschale zu werfen, um weltweit Mauern einzureißen. Mit dem "Fest der Freiheit" zum Gedenken an den 20. Jahrestag des Mauerfalls habe Berlin ein starkes Signal in die Welt gesandt: "Berlin ist zum Symbol der Freiheit geworden."

Zehntausende hatten am Montagabend dem Fall der Mauer am Brandenburger Tor gedacht. Wowereit: "Wir alle sind noch ergriffen von unserem großen emotionalen Fest der Freiheit." Dazu waren knapp 30 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt angereist.