Der Regierungschef gibt mächtige Ministerien ab und erhöht die Aufwendungen für Schulen und Universitäten.

Hamburg/Saarbrücken. Als vor 14 Jahren der noch weitgehend unbekannte Peter Müller Landesvorsitzender der saarländischen CDU wurde, da wollte er mit einer provozierenden Forderung auf sich aufmerksam machen: "Die CDU muss grüner werden", sagte er damals. Heute wirkt dieser Satz wie eine persönliche Vorlage für das seit gestern bestehende erste schwarz-gelb-grüne Regierungsprojekt überhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik.

Etliche Beobachter hatten Müller nach zehn Jahren CDU-Alleinregierung und der Blamage bei den Landtagswahlen am 30. August nicht zugetraut, diese Konstellation zustande zu bringen. Und sie hatten mit einer spannenden Landtagssitzung gerechnet: Würde er gleich im ersten Anlauf zum Regierungschef gewählt werden? Würde der 54-Jährige alle Stimmen aus dem Jamaika-Lager erhalten? Er erhielt sie - und gleich im ersten Anlauf. Alle 27 Abgeordneten von CDU, FDP und Grünen stimmten für ihn, 23 Abgeordnete von SPD und Linkspartei gegen ihn.

Dem neuen Kabinett gehören nun neben Müller vier Minister der CDU und je zwei Ressortchefs von FDP und Grünen an. In den Mittelpunkt ihrer Arbeit wollen sie die Bildungs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik stellen. Genau diese drei Ressorts sind in der neuen Regierung nicht mehr in CDU-Hand. Dementsprechend sind in den Vorhaben des Jamaika-Bündnisses deutliche Zugeständnisse Müllers an seine neuen Partner abzulesen: Die Aufwendungen für Wissenschaft und Bildung sollen auf 30 Prozent des Landeshaushalts erhöht werden.

Die von der CDU eingeführten Studiengebühren werden zumindest für das Erststudium abgeschafft. Das zuständige Wissenschaftsministerium besetzt FDP-Chef Christoph Hartmann. Auch das Schulsystem aus Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien soll in ein neues Zwei-Säulen-Modell übergeführt werden, das neben dem Gymnasium eine Gemeinschaftsschule vorsieht. Den Prozess wird der Grünen-Bildungsminister Klaus Kessler antreiben. Als machtvolle Ministerien konnte Müller nur noch Finanzen und Inneres der CDU sichern.

Es war die Vielzahl von inhaltlichen Geschenken, aber auch die Abneigung vieler Grüner gegen die Linkspartei und Oskar Lafontaine, die Müller den Stuhl des Regierungschefs gesichert haben. Müller selbst hatte im Wahlkampf die Option eines Jamaika-Bündnisses stets unerwähnt gelassen, wohl wissend, dass es ihn noch retten könnte. Öffentlich hatte er um Schwarz-Gelb geworben, ohne Schwarz-Grün abzulehnen. Die jetzige Koalition könne Müller daher durchaus glaubhaft repräsentieren, heißt es in allen Lagern des Regierungsbündnisses.

Pflichtgemäß anders musste das gestern SPD-Chef Heiko Maas sehen. "Diese Koalition eint lediglich der Wille zur Macht. Sie hat keine inhaltliche Basis, keine Vision und gibt keine Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen des Landes", sagte er. Maas hätte auch mit Müller regieren können. Doch das Angebot schlug er schon kurz nach der Wahl aus, darauf hoffend, die Grünen für ein Bündnis zusammen mit der Linkspartei zu gewinnen.

Für Müller, dem seit seiner Nichtberücksichtigung in Merkels Bundeskabinett 2005 Amtsmüdigkeit nachgesagt wurde, werden die kommenden Regierungsjahre vermutlich die spannendsten seiner politischen Karriere sein. Nicht nur er, auch seine Regierungspartner sprechen längst vom Modellcharakter für andere Länder oder gar den Bund. Der bodenständige Regierungschef findet sich so unversehens in der Rolle des Avantgardisten wieder. Er gab sich gestern gelassen: "Es gab schon Situationen, da war ich aufgeregter."