In sechs Länder ist der FDP-Chef zu Antrittsbesuchen gereist. Er hat ein fehlerloses Debüt hingelegt und zeigt sich fast verwandelt.

Hamburg. Noch immer schwingt die leicht ungläubige Frage "Kann der das?" mit, wenn von Außenminister Guido Westerwelle die Rede ist. Zwar spielen seine einstigen Volten von der Spaßpartei bis zum 18-Prozent-Projekt auf der Schuhsohle dabei kaum noch eine Rolle. Zumal ja jeder weiß, dass der Chefliberale dem Guidomobil oder dem Big-Brother-Container längst entwachsen ist. Aber als Außenminister und Vizekanzler Deutschlands Interessen und Werte in der Welt würdig vertreten?

Nach sieben Stationen in sieben Tagen und 20 000 Flugkilometern weiß man mehr. Westerwelle hat ein fehlerloses außenpolitisches Debüt hingelegt. Ob in Brüssel, Warschau, Den Haag, Paris, dann wieder Brüssel, Luxemburg oder Washington. Mitunter schien er selbst überrascht über sein neues Amt. Bloß keinen Fehler machen, kein schrilles Wort - das mag durchaus anstrengend sein für einen, dessen Selbstbewusstsein in der Innenpolitik schon mal explodierte. Dabei hätte er es gelassener angehen können. Das Amt verändert den Amtsinhaber mehr als der das Amt, hatte schon Vorvorgänger Joschka Fischer gewusst.

So hat der verwandelte Westerwelle den senfgelben Schlips gegen einen dunkelblauen eingetauscht und nach dem Brüsseler EU-Gipfel mit seinem ersten Besuch Polen beehrt, wo das diplomatische Parkett geschichtsbedingt besonders glatt ist. Dort hat er damit gepunktet, dass das gegenseitige Verhältnis einst so "tief und innig" sein solle, wie zwischen Deutschland und seinen westlichen Nachbarn. Der östliche Nachbar hat das gern gehört, ebenso wie Westerwelles Bekenntnis, "alles zu unterlassen", was dem Gedanken der Versöhnung entgegenstehe. Die Polen werten das nämlich als Versprechen, dass die umstrittene Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach nicht in den Stiftungsrat der Vertriebenengedenkstätte in Berlin einziehen wird. Am Ende jedenfalls war Westerwelle mit seinem polnischen Partner Radoslaw Sikorski, dem "lieben Radek", per Du.

Die Duz-Offensive führte den vierten FDP-Mann an der Spitze des Auswärtigen Amts anschließend nach Den Haag. Westerwelle wertete seinen eigenen Besuch als "deutliches Zeichen des politischen Respekts vor den kleinen EU-Ländern". Er sei im Rheinland aufgewachsen und sei in seiner Jugend oft über die Grenze gefahren, sagte er bei seinem Treffen mit Außenamtschef Maxime Verhagen und legte in überschäumender Freundlichkeit noch einen drauf: Die Niederlande seien ein "wunderbares Land mit wunderbaren Menschen".

Derart beflügelt umarmte Westerwelle anschließend in Paris seinen französischen Kollegen Bernard Kouchner zur Begrüßung - ohne Vorwarnung. Seine Visite sei eine "Herzensangelegenheit", da er Frankreich "schon immer bewundert und geliebt" habe. Seiner Generation liege die deutsch-französische Freundschaft "in den Genen". Das war der Beginn einer neuen Duzfreundschaft, und Kouchner nahm Guido in den Kreis der Chefdiplomaten auf: "Du wirst öfter hier sein, mein Freund, du bist hier zu Hause." Und zu angeblichen Verstimmungen darüber, dass Westerwelle erst nach Polen und dann nach Paris gefahren ist, sagte Kouchner: "Er wollte zuerst Frankreich besuchen, ich habe ihm die Erlaubnis gegeben, vorher nach Polen zu fahren." Künftig wollen die beiden wöchentlich telefonieren.

Der Harmoniekurs setzte sich nahtlos in Washington fort. Gegenüber US-Außenministerin Hillary Clinton allerdings war Westerwelle die neue staatsmännische Zurückhaltung am deutlichsten anzumerken. Seine Lieblingsforderung aus Oppositionszeiten, die nach dem Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland, klang nun zahmer: Die Bundesregierung wolle die Abrüstungsinitiative von US-Präsident Obama "nicht nur mit Worten unterstützen, sondern auch mit Taten". Diplomaten-Prosa. Auch in der Frage der Stabilisierung Afghanistans und der Haltung gegenüber dem Iran im Atomstreit versicherten sich Westerwelle und Clinton Einigkeit. Nicht einmal über die Kehrtwende von General Motors beim Verkauf von Opel kam es zur Kontroverse. Clinton sprach von einer "hervorragenden Begegnung", und Westerwelle sagte, er habe sich "nicht nur politisch, sondern auch persönlich" sehr gut mit Clinton verstanden. Am Montag treffen sich die beiden wieder: bei den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin.