“Die Republik blickt auf Sie.“ Angela Nottelmann, Leiterin der Steuerverwaltung Hamburg, brachte es auf den Punkt, als sie die Mitglieder des Arbeitskreises Steuerschätzungen gestern im Merkursaal der Hamburger Handelskammer zu ihrem ersten Arbeitstag begrüßte.

Hamburg. Denn am Ende des dreitägigen Treffens werden die Schätzer mit ihren Prognosen zu den Steuereinnahmen für 2010 auch den Spielraum für die Pläne der neuen Regierung vorgeben.

Angesichts der Wirtschaftskrise ging das Bundesfinanzministerium mit eher pessimistischen Zahlen in das Treffen. Für das laufende Jahr rechnet es mit weiteren Ausfällen von etwa 4,5 Milliarden Euro gegenüber der Mai-Steuerschätzung, die von Einnahmen von insgesamt 527 Milliarden ausging. Für 2010 geht das Ministerium von einem Plus von 1,5 Milliarden Euro aus. Ob diese Erwartungen sich mit den Prognosen des Arbeitskreises decken, wird sich morgen herausstellen. Dann wollen die Steuerschätzer bekannt geben, mit welchen Einahmen die Regierung rechnen kann. Bis dahin wird es aber wohl noch einige Diskussionen geben, denn unter dem Vorsitz des Finanzministeriums treffen Experten mit unterschiedlichen Hintergründen aufeinander. Das Wirtschaftsministerium entsendet welche, die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, das Statistische Bundesamt, die Bundesbank, die Länderfinanzministerien und die kommunalen Spitzenverbände. Sie alle müssen sich zwar an den Wachstumsprognosen der Bundesregierung orientieren, doch die jeweilige Höhe der Einzelsteuern - von der Lotterie- bis zur Umsatzsteuer - haben sie mit eigenen Methoden und Modellen errechnet. Im Arbeitskreis müssen sie zurzeit ihre Einzelprognosen auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Auf dieser Basis ermitteln sie dann, welche Einnahmen jeweils auf Bund, Länder, Gemeinden und EU entfallen.

Seit 1955 prognostiziert der Arbeitskreis auf diese Weise zweimal pro Jahr die Steuereinnahmen, einmal im Mai, einmal im November. Im Mai erstellen sie die Schätzung für das laufende und die vier folgenden Jahre. Im November steht die "kleine" Schätzung an, die sich auf das laufende und das kommende Jahr beschränkt. Sie findet etwa zu der Zeit statt, in der auch der Bundeshaushalt für das Folgejahr verabschiedet werden soll.

Kritiker der Steuerschätzungen haben immer wieder bemängelt, dass sie zu ungenau seien und darum nur bedingt als Grundlage der Haushaltspolitik dienen können. 2006 kritisierte der Bundesrechnungshof, dass die Ergebnisse in den zurückliegenden zehn Jahren um durchschnittlich rund 14 Prozent beziehungsweise 30 Milliarden Euro über dem tatsächlichen Steueraufkommen gelegen hätten. Die Fehleinschätzungen können unterschiedliche Ursachen haben. Immer wieder wurde etwa der Bundesregierung unterstellt, den Schätzern zu optimistische Vorgaben als Grundlage für ihre Berechnungen zu geben. Den Experten wurde wiederum vorgeworfen, dass sie bei Änderungen des Steuerrechts nicht vorsichtig genug schätzen würden.