Generalinspekteur Schneiderhan: Oberst Klein handelte “militärisch angemessen“. Opferzahl bleibt unklar.

Hamburg/Berlin. Die Bundeswehr sieht sich von einem seit Wochen drückenden Vorwurf befreit: Der von dem deutschen Oberst Georg Klein angeordnete Nato-Luftangriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklastzüge unweit des afghanischen Kundus war "militärisch angemessen". Zu diesem Urteil kam der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, nach Lektüre des als geheim eingestuften Isaf-Untersuchungsberichts über den Vorfall am 4. September.

Oberst Klein, damals Kommandeur des deutschen Kontingents in Kundus, habe die Lage richtig beurteilt. Er habe sogar davon ausgehen können, dass keine Unbeteiligten bei dem Bombardement zu Schaden kommen würden, sagte der General.

Der von Klein bei den Amerikanern angeforderte Luftangriff - die Bundeswehr hat keine Erdkampfflugzeuge in Afghanistan - forderte zwischen 17 und 142 Todesopfer. Die genaue Zahl kann heute nicht mehr ermittelt werden, da die Leichen unmittelbar nach dem Angriff beseitigt worden waren. Auch ist die Zahl der unbewaffneten Zivilisten nicht mehr zu ermitteln, die sich vermutlich unter die Taliban gemischt hatten, als die Tanklastzüge im schlammigen Ufer des Kundus-Flusses stecken geblieben waren. Nach damaligen lokalen Berichten hatten die Taliban die Bewohner eines unweit gelegenen Dorfes mitten in der Nacht aufgefordert, Treibstoff aus den Fahrzeugen abzuzapfen, um sie leichter flottmachen zu können. Offenbar hatten sie auch einen Traktor angefordert, um die Tanker aus dem Morast zu ziehen. Die Einsatzführung in Kundus hatte jedoch keine Kenntnisse von den Zivilisten vor Ort gehabt. Die radikalislamischen Taliban hatten Treibstoff zuvor mehrfach zur Herstellung von Bomben genutzt. Klein hatte unbedingt verhindern wollen, dass die Taliban, die die Fahrer der Laster ermordet hatten, mit ihrer brisanten Beute entkommen konnten.

Klein hatte die Empfehlung der US-Luftwaffe abgelehnt, 907 Kilogramm schwere Bomben einzusetzen und sich für 227-Kilogramm-Bomben entschieden, um unnötige Schäden zu vermeiden. Wie Schneiderhan weiter sagte, enthält der Bericht der Nato-Truppe Isaf Aussagen von lokalen Führern, nach denen 30 bis 40 Zivilpersonen getötet oder verwundet worden waren.

Der Generalinspekteur betonte jedoch, der Bericht beweise aber nicht, dass auch tatsächlich unbeteiligte Personen durch den Luftschlag getötet worden seien. Er sagte, der Vorfall müsse vor dem Hintergrund der verschärften Sicherheitslage im deutschen Zuständigkeitsbereich betrachtet werden. Zwischen Ende April und Anfang September habe es insgesamt 87 "sicherheitsrelevante Zwischenfälle" gegeben, darunter Bombenanschläge, Feuergefechte und Raketenbeschuss. Im Verantwortungsbereich von Klein seien in dieser Zeit acht Isaf-Soldaten getötet worden, darunter vier Deutsche. 21 Soldaten seien verwundet worden, darunter 20 Deutsche.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Oberst Ulrich Kirsch, forderte, über den Status der deutschen Soldaten nachzudenken. Derzeit werde das deutsche Rechtssystem zugrunde gelegt. Anders wäre die Lage, wenn man das Kriegsvölkerrecht anwende. In manchen afghanischen Regionen gebe es zwar keinen Aufständischen und daher auch keinen Krieg. "Aber in Kundus, da, wo wir jeden Tag Kampf und Gefechte erleben, wo Tod und Verwundung dazugehören, wo unsere Kameraden töten müssen - da ist Krieg." Kirsch forderte den Einsatz von Panzerhaubitzen der Bundeswehr in Afghanistan zum besseren Schutz der Truppe.