Hartz-IV-Empfänger haben auch dann Anspruch auf ihr Geld, wenn sie sich Monate nicht um ihren Antrag kümmern. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel gestern entschieden. Mit der Entscheidung gab es einem 48-jährigen Dresdner recht.

Kassel. Er hatte sich im Juni 2005 beim Arbeitsamt gemeldet und einen Antragsbogen mit entsprechendem Datum mitgenommen. Er gab ihn aber erst im Januar des nächsten Jahres ab, weil er bis dahin von seinem Ersparten und dem Geld seiner Eltern gelebt habe. Obwohl der Antrag verspätet abgegeben wurde, muss die Behörde voll zahlen, entschieden die Richter. Die Behörde habe die Pflicht, fehlende Angaben zu ergänzen oder zu erfragen.

Neben diesem beschäftigen sich die Sozialrichter noch mit weiteren Streitfällen zum Thema Hartz IV. So stand auch die von der neuen Regierung geplante Erhöhung des Schonvermögens für Hartz-IV-Bezieher auf dem Prüfstand. Sie könnte laut BSG zu einem Gerechtigkeitsproblem führen. Der Vorsitzende Richter, Peter Udsching, hält es für ungerecht, dass hohe einmalige Einkünfte wie Erbschaften oder Steuerrückzahlungen beim Arbeitslosengeld II (ALG) angerechnet werden, Rücklagen für die Altersvorsorge hingegen nicht. So darf ein Langzeitarbeitsloser momentan pro Lebensjahr 250 Euro sparen und gleichzeitig in voller Höhe ALG II beziehen. Durch die Pläne von Union und FDP, die Freibeträge für die Altersvorsorge auf 750 Euro pro Lebensjahr zu erhöhen, ergebe sich "ein echtes Gerechtigkeitsproblem", sagte Udsching.

Im konkreten Fall hatte ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger von seiner Großmutter mehr als 10 700 Euro geerbt. Der Landkreis Göttingen rechnete das Geld als Einkommen an, sodass der Mann ein Jahr lang keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hatte. Hätte er das Erbe vor Beginn seines Leistungsbezuges erhalten, hätte er bei der Behörde dagegen Vermögensfreibeträge geltend machen und es erhalten können. Ein Urteil fällte das Bundessozialgericht in dem Fall allerdings nicht. Es verwies ihn zur Prüfung weiterer Detailfragen zurück an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.

Zudem entschied das Bundessozialgericht, dass Familien, die ALG II beziehen, die Schülermonatskarten ihrer Kinder von ihrer Regelleistung bezahlen müssen. Ergänzende Leistungen seien gesetzlich nicht vorgesehen, urteilte das Gericht. Der Anwalt der Klägerin kündigte an, nun das Bundesverfassungsgericht anzurufen.