Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Wer den FDP-Chef Guido Westerwelle derzeit sieht und hört, spürt seine Genugtuung.

Fast hat man den Eindruck, der designierte Außenminister ist noch immer überrascht über die üppigen Zugeständnisse der Union an seine Partei. Hamburgern kommt das bekannt vor: Im April 2008 ging es den GAL-Verhandlungsführern in der Hansestadt ähnlich - auch Anja Hajduk und Christa Goetsch waren damals angetan von der Flexibilität der Union. Schnell war den Grünen klar, dass man der CDU wesentlich mehr Kompromisse abringen kann als der SPD: Das Ergebnis war ein Koalitionsvertrag, niedergeschrieben in grüner Tinte. Gestern in Berlin unterschrieben die Spitzen von CDU und FDP nun ein 124-Seiten-Papier, das unübersehbar die Handschrift der Liberalen trägt.

Das muss nicht schlecht sein - aber es verwundert doch. Ausgerechnet die letzte verbliebene Volkspartei begnügt sich in Bündnissen oft mit der Rolle des Mehrheitsbeschaffer. Schon bei der Großen Koalition mokierten sich viele über das dominierende sozialdemokratische Element. In Hamburg wiederum wundern sich viele Christdemokraten über den Einfluss der Grünen. Die GAL bekam die Primarschule, die Stadtbahn und den Einstieg in den Moorburg-Ausstieg; ähnlich liefen die Verhandlungen im Bund: Die FDP setzte eine große Steuerentlastung, die Gesundheitsreform und den Einstieg in den Ausstieg bei der Wehrpflicht durch. Die CDU stellt zwar jeweils den Regierungschef, räumt aber schnell ihre wenigen erkennbaren Positionen. In Hamburg war das der konsequente Erhalt der Gymnasien, auf Bundesebene eine gemäßigtere Entlastung der Bürger. Westerwelle betont gar, alle 20 Kernforderungen der FDP durchgesetzt zu haben. Das klingt übertrieben, nur: Die CDU hätte schon Probleme, überhaupt 20 Kernforderungen zu benennen.

Auch wenn Kompromisse zu Koalitionsverhandlungen gehören wie Nachtsitzungen und Postengeschacher, überrascht die Wendigkeit der Union, die mitunter ins Beliebige abzurutschen droht. Die Frage, die sich schon im Wahlkampf aufdrängte, stellt sich jetzt noch deutlicher: Wofür steht die Union eigentlich? Antworten im Koalitionsvertrag findet man kaum. Wie soll etwa der "Wohlstand für alle" erreicht werden? Das kühne Steuersenkungsprogramm könnte im Lichte der desolaten Staatsfinanzen rasch tollkühn und zur "Verschuldung für alle" werden. Und die "Bildungsrepublik Deutschland" liest sich in Hamburg sicherlich anders als in Bayern, obwohl die Union beide Länder regiert.

Zwar hat der CDU ihre inhaltliche Unverbindlichkeit zuletzt eher genützt, aber das wird im Falle des Misserfolgs nicht so bleiben. Eine schleichende Entfremdung vieler Wähler hat längst eingesetzt.