Der künftige Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Steuerpläne relativiert. Berlin will dagegen klagen.

Hamburg. Die neue schwarz-gelbe Koalition gibt sich großzügig. Fast alle sollen etwas von ihr haben: Die Familien zum Beispiel ein höheres Kindergeld, die Bauern mehr Subventionen und die Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto. Wie dies finanziert werden soll, lassen Union und FDP noch weitestgehend offen. In ihrem Koalitionsvertrag heißt es darum: "Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt." Konkrete Vorgaben für Einsparungen finden sich im Vertrag nur wenige. Man wolle die Steuerverschwendung bekämpfen, heißt es dort. Und in Zukunft soll eine "Überförderung" bei der Solarenergie vermieden werden. Grundsätzlich setzen Union und FDP zur Gegenfinanzierung ihrer Vorhaben weniger auf Sparen als vielmehr auf Wirtschaftswachstum.

Ob diese Rechung aufgeht? Der künftige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) scheint sich nicht sicher, zumindest was die geplanten Steuersenkungen betrifft, die allein 24 Milliarden Euro ausmachen sollen. Die Koalition habe zwar die "feste Absicht", sie durchzusetzen, sagte er der ARD. Eine definitive Zusage könne er aber nicht geben. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machte gestern ebenfalls deutlich, dass es keine Erfolgsgarantie gebe.

Ähnlich sieht dies der Bund der Steuerzahler. Er reagierte erfreut, aber auch skeptisch auf die Pläne. "Es gibt im Koalitionsvertrag viele gute Ansätze. Wir freuen uns zum Beispiel über die steuerlichen Pläne", sagte der Bundesgeschäftsführer des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, dem Abendblatt. Er wisse nur nicht, wie sie finanziert werden sollen. "Einsparmaßnahmen werden nur unzureichend bis gar nicht im Koalitionsvertrag erwähnt", sagte Holznagel. Wie in der Großen Koalition könne es laut Holznagel nicht weitergehen. Diese habe sich als sparsam dargestellt und dennoch seien von 2005 bis 2009 die Mehrausgaben im Bundeshaushalt um 43,4 Milliarden gestiegen.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, warf Union und FDP Etikettenschwindel vor. In seinen Augen wirke der Koalitionsvertrag so, als sei es gegen alle ökonomische Realität vor allem darum gegangen, Wahlversprechen zu halten. Es sei unklar, woher das Geld für die versprochenen Maßnahmen kommen solle, sagte er der "Berliner Zeitung". Es laufe klar darauf hinaus, auf eine Haushaltssanierung zu verzichten.

Der Bundesrechnungshof warnte in der "Frankfurter Rundschau" Union und FDP davor, neue Kredite zur Finanzierung ihrer Pläne aufzunehmen und so die Schuldenbremse im Grundgesetz zu schwächen. Diese verpflichtet den Bund dazu, sich nur bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu verschulden, was derzeit etwa neun Milliarden Euro im Jahr entspricht.

Der Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hat der schwarz-gelben Koalition mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht. Nußbaum sagte der "Süddeutschen Zeitung", es könne nicht angehen, dass die Länder den größten Teil der von dem neuen Bündnis geplanten Steuersenkungen bezahlen müssten.

Nach Berechnungen der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen kommen wegen der Koalitionsbeschlüsse auf die Länder Einnahmeausfälle von jährlich 14 Milliarden Euro zu. Der Bund müsse dagegen nur zehn Milliarden Euro verkraften. Bis 2013 würden insgesamt knapp 80 Milliarden Euro fehlen. Nußbaum ist sich sicher: "CDU/CSU und FDP bereiten mit ihren Koalitionsbeschlüssen den Weg in den Verschuldungsstaat."