Die Entscheidung der Parteispitze, nicht mit Linken und Grünen, sondern mit der CDU über eine Koalition zu verhandeln, hat die Thüringer SPD vor eine Zerreißprobe gestellt.

Erfurt. SPD-Landeschef Christoph Matschie wurde auf einer Basisversammlung am Sonnabend in Erfurt mit Buhrufen und Beschimpfungen empfangen. Er selbst sprach bei dem Treffen von einem "beinharten Machtkampf" innerhalb seiner Partei.

Zu der turbulenten Versammlung hatte unter anderem Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) eingeladen. Er forderte die Parteiführung auf, endlich das Gespräch mit der Basis zu suchen, die mehrheitlich eine rot-rot-grüne Option befürworte. Die CDU habe in Thüringen abgewirtschaftet und verhindere seit Jahren wichtige Reformen, sagte Bausewein. Matschie warf er vor, "die Zeichen der Zeit nicht erkannt" und die Thüringer SPD in eine "existenzielle Krise" geführt zu haben. In der "Leipziger Volkszeitung" äußerte Bausewein sein Befremden darüber, dass Matschie einen demokratischen Meinungsstreit als Machtkampf bezeichne, fügte aber hinzu: "Ich habe keine Angst vor diesem Machtkampf." Eine "Basta-Politik à la Gerhard Schröder" dürfe es in der SPD nicht mehr geben.

Bausewein forderte erneut eine Mitgliederbefragung über die bevorzugte Koalitionsoption. Die für die Befragung erforderlichen 400 Unterschriften sollte nach seinen Worten noch am Wochenende gesammelt werden.

Trotz der Angriffe gab sich Landesparteichef Matschie selbstbewusst. In seiner Rede, die immer wieder von Zwischenrufen unterbrochen wurde, rief er die Partei zur Geschlossenheit auf. "Nur wenn die Partei Vertrauen zu sich selbst hat, in ihre Gremien und ihre gewählten Vertreter, kann sie erfolgreich sein", sagte er vor den rund 300 Mitgliedern. Matschie verteidigte erneut die Entscheidung für Schwarz-Rot. Mit den Linken um Spitzenkandidat Bodo Ramelow habe kein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden können. Sie habe von Beginn an versucht, "die SPD am Nasenring über die politische Bühne zu ziehen", sagte Matschie.

Die SPD führt seit Mittwoch mit der CDU Koalitionsverhandlungen. Diese hatte bei der Landtagswahl Ende August ihre Mehrheit verloren und kann nur mit der SPD weiterregieren. Den Sozialdemokraten stünde hingegen die Option eines rot-rot-grünen Regierungsbündnisses offen. Ein Haupthindernis in den Gesprächen mit den Linken war die Frage des Ministerpräsidenten. Obwohl die Linke bei der Wahl besser abgeschnitten hatte, beansprucht die SPD den Posten für sich. Bei ihrem Parteitag am 25. Oktober will sie sich endgültig entscheiden, mit wem sie koalieren wird.