Der Redebedarf in der ersten Sitzung der von 51 auf 68 Abgeordnete gewachsenen und dennoch kleinsten der fünf Bundestagsfraktionen war größer als erwartet. Um eine Stunde verzögerte sich die Wahl der neuen Doppelspitze. Doch die blieb dann ohne Überraschungen.

Berlin. Die beiden Spitzenkandidaten zur Bundestagwahl, Renate Künast und Jürgen Trittin, werden zumindest für die kommenden zwei Jahre die Grünen im Parlament führen. Für Künast stimmten 79,1 Prozent. Der Rückhalt für Trittin fiel größer aus. Ihn wählten 91,0 Prozent. Gegenkandidaten hatten sich nicht empfohlen. Der bisherige Fraktionschef an der Seite Künasts, Fritz Kuhn, hatte freiwillig auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Er strebt nun einen der fünf Vize-Posten in der Fraktion und den Vorsitz des Arbeitskreises Wirtschaft, Finanzen, Sozialpolitik an.

Künast und Trittin, die altbekannten Gesichter der rot-grünen Regierungsjahre, wollen die "Meinungsführerschaft" in der Opposition erlangen. So das erklärte Ziel des neuen Führungsduos. Doch die beiden Ex-Minister der Schröder-Ära sollen auch jüngere Verstärkung erhalten. Bewusst verzichtete die Fraktion gestern darauf, die Stellvertreter zu wählen. Erst wolle man die neue Regierungsmannschaft und den genauen Zuschnitt der Ministerien abwarten, hieß es gestern aus Fraktionskreisen. Erst dann - wohl Anfang November - wolle sich die Fraktion mit weiteren Personalien festlegen.

Als Fraktionsvize werden unter den jüngeren Abgeordneten etwa der Verkehrspolitiker Anton Hofreiter, der Finanzfachmann Gerhard Schick, die Familienpolitikerin Ekin Deligöz und der Verteidigungs- und Haushaltspolitiker Omid Nouripour genannt. Man habe in der Fraktion aber nicht über Personen gesprochen, widersprach Künast Spekulationen, wonach es Unmut über die bisher wenig nach Erneuerung aussehende Fraktionsspitze gegeben habe.

Die 53-jährige Künast war bereits vier Jahre lang Fraktionschefin, zuvor hatte sie von 2001 bis 2005 das Verbraucher- und Agrarministerium geleitet. Der 55-jährige Trittin war zuletzt als Fraktionsvize für Außenpolitik zuständig. Von 1998 bis 2005 war er Bundesumweltminister.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer für die kommenden Jahre ist kein neues Gesicht. Volker Beck erhielt 83,8 Prozent der Stimmen. Der 48-jährige Menschenrechtsexperte leitet inzwischen seit acht Jahren in dieser Funktion die Geschäfte der Fraktion. Die vierte Personalentscheidung galt dem Posten der Bundestagsvizepräsidentin. Und auch hier entschied sich die Fraktion erneut für die Amtsinhaberin Katrin Göring-Eckardt. Die Thüringerin, die zudem als Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) das höchste Laienamt innehat, erhielt 82,4 Prozent der Stimmen.

Schnell wolle man nun zu den Inhalten der Oppositionsarbeit kommen, kündigten Künast und Trittin an, und sich als Gegenmodell zu Schwarz-Gelb profilieren. Künast beschrieb die zukünftige Rolle der Faktion als eine "dienende" gegenüber der Partei. Man wolle dem Zugewinn an Stimmen bei der Bundestagswahl auch gerecht werden. Trittin sagte: "Wir wollen in den nächsten vier Jahren Grundlagen dafür legen, dass Schwarz-Gelb im Jahr 2013 in diesem Lande keine Mehrheit mehr hat." Die Grünen seien in der Lage, konzeptionelle Antworten zu geben. Den Anfang werde ein Antrag für einen Untersuchungsausschuss zum Atommülllager Gorleben machen. Die Schwerpunkte der Oppositionsjahre sind damit klar abgesteckt: Bei der Atompolitik und beim Klimaschutz werden die Grünen den Kurs der neuen Regierung kritisch verfolgen.